Nykturie

Der nächtliche Harndrang wird in der Medizin als Nykturie bezeichnet und ist eine der wesentlichsten Ursachen für gestörten Schlaf. Die Folgen des Schlafentzugs, wie Tagesmüdigkeit, Konzentrationsschwäche oder sogar Depression stellen nicht nur für die Betroffenen selbst beachtlichen Leidensdruck dar, sondern können auch der ganzen Volkswirtschaft zur Last fallen.


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Nykturie

ICD-10-GM-2020 R35
 

Was versteht die Medizin unter einer Nykturie?

Der Begriff Nykturie kommt aus dem altgriechischen und bedeutet „das nächtliche Harnlassen”. Die Folge ist ein oder mehrfaches Unterbrechen des Nachtschlafes aufgrund des Harndrangs. Das nächtliche Wasserlassen gilt damit als die häufigste Ursache für die nächtliche Schlafunterbrechung und hat somit negativen Einfluss auf Lebensqualität, Erholung und Leistungsfähigkeit der Betroffenen.
 
Von einer Nykturie spricht man allerdings erst dann, wenn jemand regelmäßig zweimal oder öfter von nächtlichem Harndrang aus dem Schlaf geholt wird, obwohl der Patient nicht übermäßig viel Wasser getrunken hat. Zudem ist die Nykturie klar von der Enuresis, dem unwillkürlichen nächtlichem Einnässen, abzugrenzen.

Wie häufig ist die Nykturie und wer ist davon betroffen?

Die Nykturie tritt vor allem bei älteren Menschen auf. Einer dänischen Studie zufolge leiden etwa 77 Prozent aller über 60-Jährigen unter einer Nykturie, wobei Frauen und Männer gleich stark betroffen sind. Die Prävalenz steigt mit zunehmendem Alter an und im Bevölkerungsquerschnitt sind etwa zwölf bis 14 Prozent erkrankt.
 

Wie äußert sich eine Nykturie?

Die Nykturie ist keine eigenständige Erkrankung, sondern ein Symptom, das bei verschiedensten körperlichen Störungen auftreten kann. Grundsätzlich versteht man mehrfaches Wasserlassen während der Nacht als Nykturie. Voraussetzung ist, dass nicht übermäßig viel getrunken wurde und kein Alkohol konsumiert wurde.
 

Welche Ursachen hat eine Nykturie?

Grundsätzlich führen zwei Mechanismen zu übermäßigem nächtlichem Harndrang. Entweder produziert der Körper zu viel Urin, was in der Medizin als Polyurie bezeichnet wird oder es liegen urologische Ursachen vor, wie zum Beispiel Abflussstörungen der ableitenden Harnwege.
 
Die Polyurie kann zum einen aus einer Herzschwäche resultieren. Bei einer Herzinsuffizienz kann das Herz nur noch eingeschränkt pumpen. Der Körper lagert deshalb tagsüber Wasser in den Beinen ein, da die Pumpkraft des Herzens nicht mehr stark genug ist, um den Transport des Blutes gegen die Schwerkraft zurück zum Herzen zu gewährleisten. Nachts im Liegen wird die Flüssigkeit, welche vom Körper als zu viel erkannt wird, wieder ausgeschwemmt, was zu vermehrtem nächtlichem Harndrang führt.
 
Weitere mögliche Symptome von Herzschwäche sind eine verringerte Leistungsfähigkeit und Atemnot. Diabetiker leiden meist unter Symptomen wie einem starken Durstgefühl, weshalb sie deutlich mehr Flüssigkeit zu sich nehmen als gesunde Menschen. In der Folge produziert ihr Körper auch vermehrt Urin. Ein Anzeichen kann ein starkes Durstgefühl während der Nacht sein. Bei einer eingeschränkten Nierenfunktion sind die winzigen Blutfilter der Niere geschädigt, wodurch vermehrt Eiweiße, wie Albumin, im Urin ausgeschieden werden. Das Protein bindet Wasser, weswegen letztendlich mehr Urin ausgeschieden wird.
 
Menschen mit einer Schlafapnoe leiden ebenfalls häufig unter nächtlichem Harndrang. Behandelt man die Schlafapnoe, reduzieren sich meist auch die Toilettengänge in der Nacht. Das Antidiuretische Hormon, auch einfach ADH genannt, verhindert nachts die Urinbildung. Wenn der Körper jedoch nicht genug ADH ausschüttet, wird während der Nacht zu viel Urin produziert. Besonders bei Wechselschicht-Arbeitern kann die nächtliche ADH-Produktion, aufgrund des veränderten Biorhythmus, vorübergehend gestört sein. Nach der Umstellung von Nacht- auf Tagschicht kann kurzzeitig eine Nykturie auftreten.
 
Zuletzt können verschiedene Medikamente für die Polyurie verantwortlich sein. Entwässernde, harntreibende Medikamente, die sogenannten Diuretika, steigern die Urinproduktion. Daher sollten diese Medikamente nicht abends eingenommen werden. Auch verschiedene Bluthochdruckmittel, Antidepressiva der Klasse SSRI sowie Antibiotika aus der Gruppe der Tetrazykline können das Urinvolumen steigern und zum Harndrang in der Nacht führen.
 
Viele ältere Männer entwickeln eine gutartige Vergrößerung der Prostata. Diese benigne Hyperplasie ist oft mit nächtlichem Harndrang verbunden, da die vergrößerte Prostata auf die Harnröhre drückt und sie somit verengt.  Folglich kann die Harnblase beim Urinieren nicht vollständig entleert werden. So ist die Blase bereits nach kurzer Zeit wieder gefüllt, was erneuten Harndrang auslöst. Neben einer gutartigen kann auch eine bösartige Prostatavergrößerung für den gesteigerten Harndrang verantwortlich sein.
 
Bei Frauen steckt dagegen meist eine überaktive Blase oder eine Fehlsteuerung des Blasenmuskels hinter der Nykturie. Die Betroffenen verspüren sowohl tagsüber als auch nachts einen übermäßigen Harndrang. Auch Infekte der unteren Harnwege wie etwa eine Blasenentzündung können zu vermehrtem Harndrang führen. Ein starkes Brennen beim Wasserlassen ist ein weiteres typisches Symptom dieser Erkrankungen und kann ein Hinweis für die Ursache der Nykturie sein. In seltenen Fällen können Blasensteine oder eine Raumforderung im Blasenbereich die Nykturie auslösen.
 

Wann sollte ich mit nächtlichem Harndrang zum Arzt gehen?

Tritt vermehrtes Wasserlassen in der Nacht auf, und zwar öfters als zweimal, solltest Du einen Arzt aufsuchen. Der erste Ansprechpartner ist der Hausarzt, nicht der Urologe, da das vermehrte nächtliche Wasserlassen nicht unbedingt auf urologischen Ursache beruhen muss. Wenn der Schlaf mehrfach unterbrochen wird, wirkt sich dies mit der Zeit negativ auf die Lebensqualität der Patienten aus. Außerdem kann die Nykturie ein Symptom schwerwiegender Erkrankungen sein, die ein Arzt begutachten muss.
 

Wie diagnostiziert der Arzt eine Nykturie?

Bei der Diagnosefindung wird der Arzt zunächst in einem Erstgespräch Fragen rund um die Beschwerden und die Krankengeschichte des Patienten stellen. Er informiert sich über den nächtlichen Harndrang, über weitere Symptome, über die Trinkmenge, über familiäre Hintergründe und den allgemeinen Lebensstil. Dein Arzt bittet Dich eventuell, ein sogenanntes „Trink- und Miktionstagebuch“ zu führen. Darin notierst Du für mindestens zwei Tage, was wann in welcher Menge getrunken und wie viel Urin Du wann ausgeschieden hast. Diese genauen Aufzeichnungen helfen dem Arzt bei der Diagnosefindung.
 
Je nach vermuteter Ursache, wird Dein Hausarzt Dich gegebenenfalls an einen Spezialisten, wie einem Kardiologen, Urologen oder Neurologen überweisen. Oft führt der Arzt aber auch selbst bestimmte Untersuchungen durch. Zu den häufigsten Untersuchungsmethoden zur Abklärung einer Nykturie gehören eine allgemeine körperliche Untersuchungen mit dem Abhören und der Auskultation. Beim männlichen Patienten gehört auch die rektale Abtastung der Prostata dazu.
 
Zudem ist ein EKG und Belastungs-EKG auf dem Fahrradergometer zur Überprüfung der Herzfunktion bei Verdacht auf eine Herzerkrankung als Ursache der Nykturie hilfreich. Im Urin-Schnelltest kann Blut auf eine Harnwegsinfektion hinweisen und Zucker im Urin auf Diabetes. Ein möglicher Ultraschall von Nieren, Blase und Prostata gibt Auskunft über verschiedene Pathologien, die das vermehrte Wasserlassen auslösen können. Ein Blutbild kann Auskunft über den allgemeinen Zustand des Patienten geben.
 

Wie wird eine Nykturie behandelt?

Steht die Ursache der Nykturie fest, lässt sich das Symptom durch eine passgenaue Behandlung meist deutlich mildern. Die Auswahl der geeigneten Therapie richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache.
 
Die Herzschwäche kann durch geeignete Medikamente wie etwa ACE-Hemmer oder Betablocker therapiert werden. In schwereren Fällen kann ein Herzschrittmacher oder ein Spenderherz eingepflanzt werden. In allen Fällen ist zusätzlich ein gesunder Lebensstil im Rahmen einer gesunden Ernährung, Alkoholverzicht und viel Bewegung ratsam. Den krankhaft erhöhten Blutzuckerspiegel kannst Du ebenfalls mit der Einnahme von Medikamenten senken.
 
Infekte der unteren Harnwege werden meist mit einem Antibiotikum behandelt und klingen nach ein paar Tagen ab. Bei einer überaktiven Blase sowie einer reduzierten Blasenkapazität kann ein Blasentraining helfen. Dabei lernen die Betroffenen, ihren Harndrang zu unterdrücken und den nächsten Toilettengang hinauszuzögern. Die Blase gewöhnt sich durch das Training allmählich wieder an größere Füllmengen, wodurch der Harndrang später einsetzt. Bei vielen Betroffenen bessern sich die Symptome durch diese Therapie innerhalb von zwei bis drei Monaten.
 
Die vergrößerte Prostata kann der Arzt operativ entfernen. In anderen Fällen reicht eine medikamentöse Therapie aus, bei der sogenannte Alphablocker die Muskulatur der Blase entspannen, was weniger Druck auf die Blase ausübt.
 

Was kann ich selbst gegen Nykturie tun?

Wird häufiger Harndrang durch eine andere Grunderkrankung, wie eine Prostatavergrößerung oder durch Diabetes verursacht, ist es notwendig, gezielt die jeweilige Grunderkrankung zu behandeln.
 
Liegen keine organischen Ursachen vor, kann unter Umständen ein Blasentraining weiterhelfen, bei dem der Betroffene versucht, den Harndrang bewusst zu unterdrücken und zu regulieren, um die Harnblase nach und nach wieder an größere Füllmengen zu gewöhnen. Der gewünschte Effekte sollte nach ein paar Wochen Training eintreten.
 
Psychisch bedingter Harndrang kann mit einer Psychotherapie oder auch mit Entspannungstechniken behandelt werden. Auch Stress und Angstsituationen gehen auf die Blasen. Im Volksmund heißt es nicht umsonst, sich vor Angst in die Hose zu machen.
 

Welche Folgen hat eine Nykturie für Betroffene?

Die Folgen der Nykturie können schwerwiegend sein. Schlafstörungen führen oft zu Tagesmüdigkeit, Konzentrationsschwächen, Verminderung der geistigen Leistung und Kopfschmerzen. Ein Stimmungsabfall tritt auf und unter Umständen kann die fehlende Erholung in der Nacht zu Depressionen führen.
 
Wenn die Nykturie Symptom einer Grunderkrankung ist und unerkannt bleibt, kann dies schwerwiegende Folgen für den Patienten haben. Unter Umständen bleiben Herzschwächen oder Raumforderungen der Prostata unerkannt. Daher solltest Du übermäßig nächtlichen Harndrang immer von einem Hausarzt begutachten lassen.

Warum kommt es bei einer Herzinsuffizienz zu einer Nykturie?

Bei einer Herzinsuffizienz kann das Herz nur noch eingeschränkt pumpen. Das Blut fließt dadurch nur noch verlangsamt gegen die Schwerkraft zurück zum Herzen, wodurch tagsüber Wasser aus dem Blut austritt und sich in den Beinen ablagert. Die Wasserablagerungen machen sich durch Schwellungen und Ödeme in den Beinen bemerkbar. Nachts im Liegen, wenn das Herz nicht mehr gegen die Schwerkraft ankämpfen muss, wird die Flüssigkeit wieder ausgeschwemmt, was zu vermehrtem nächtlichem Harndrang führt.
 
Weitere Symptome von Herzschwäche sind eine verringerte Leistungsfähigkeit und Atemnot. Die Herzinsuffizienz kann der Arzt über einen Wert im Blut diagnostizieren.
 

Wie oft ist es normal nachts auf Toilette zu gehen?

Einmal nachts aufzuwachen, um die Blase zu entleeren wird als normal eingestuft. Wenn diese Beschwerden mehrfach auftreten, spricht der Mediziner von einer Nykturie. Dies gilt nur für einen normalen Flüssigkeitskonsum am Tag. Wenn mehr getrunken wurde als sonst oder auch bestimmte Medikamente eingenommen werden, gilt auch mehrfaches Erwachen zur Blasenentleerung als normal.
 

Übernimmt die Krankenkasse die Kosten für die Behandlung einer Nykturie?

Die Krankenkasse übernimmt alle anfallenden Kosten zur Diagnose und Ursachenbehandlung der Nykturie. Bei privaten Krankenkassen fallen gegebenenfalls Selbstkostenpauschalen an. Autogene Trainings subventioniert die Krankenkasse meistens nicht.