Pemphigus vulgaris

Beim Pemphigus vulgaris handelt es sich um eine selten auftretende, aber schwerwiegende Autoimmunerkrankung, die zur Blasenbildung auf der Haut und auf Schleimhäuten führt. Der Pemphigus vulgaris gehört zur Gruppe der Pemphigus-Erkrankungen, die alle eine ähnliche Symptomatik aufweisen, doch unterschiedliche Hautschichten betreffen. Der Pemphigus vulgaris hat unter den Pemphigus-Erkrankungen den schwersten Verlauf, kann allerdings nach adäquater Diagnostik gut behandelt werden.


AUTOR

Medizinische Expertin

CO-AUTOR

Online-Redaktion

Dieser Text wurde nach höchsten wissenschaftlichen Standards verfasst und von Medizinern geprüft.


Pemphigus vulgaris

Was versteht die Medizin unter einem Pemphigus vulgaris?

Beim Pemphigus vulgaris handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, die sich durch eine ausgeprägte Blasenbildung der Haut auszeichnet. Der medizinische Begriff leitet sich vom griechischen „pemphix“ = „Blase“ und vom lateinischen „vulgaris“ = „gewöhnlich“ ab. Dem Laien ist die Erkrankung auch als Blasensucht bekannt. Es handelt sich um eine seltene, aber sehr schwere Erkrankung mit einer Inzidenz von circa 0,3 bis drei Erkrankten pro 100.000 Personen. Männer und Frauen sind dabei gleichermaßen betroffen, Kinder hingegen meist gar nicht, da sich die Symptomatik in der Regel erst mit dem Erwachsenenalter ausbildet.

Ist ein Pemphigus vulgaris ansteckend?

Nein, beim Pemphigus vulgaris handelt es sich nicht um eine infektiöse Erkrankung, bei der Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten ursächlich wären, sodass eine Übertragung der Symptomatik nicht möglich ist. Allerdings sind vom Pemphigus vulgaris Betroffene durch ihr nicht intaktes Immunsystem und die gestörte Hautbarriere anfälliger für unterschiedliche Keime, die in die Haut und Schleimhäute eindringen und hier zu sekundären Infektionen führen. Diese wiederum können je nach Erregerart sehr wohl übertragbar sein.

Was sind die Symptome bei einem Pemphigus vulgaris?

Die Erkrankung führt dazu, dass die einzelnen Schichten der Haut nicht stabil aufeinanderliegen, sondern die Haftung zueinander verlieren und sich daher leicht Blasen ausbilden. Die Bläschen sind nicht gespannt, sondern flach und mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt.

Unverbindliche Preisanfrage

Sie können recht unterschiedliche Größen erreichen beziehungsweise miteinander zusammenwachsen und dadurch ebenfalls an Größe gewinnen. Im Verlauf platzen die Blasen und hinterlassen zahlreiche Stellen mit vulnerablen, geschädigten und offenen Hautarealen, sogenannten Erosionen. Zwar verkrusten und verheilen diese Erosionen von selbst, doch ist es ein langwieriger und mitunter auch schmerzhafter Weg, während gleichzeitig schon neue Blasen und zukünftige Erosionen nachkommen. Dadurch können gelegentlich auch verkrustete Hautareale, Blasen und intakte Haut nebeneinander vorkommen.
 
In Extremfällen und bei sehr ausgeprägten Hautläsionen können zudem Zeichen einer gesamtkörperlichen (systemischen) Immunantwort wie ein allgemeines Krankheitsgefühl, Fieber, Gliederschmerzen und Appetitlosigkeit auftreten.

Wie ist der Krankheitsverlauf bei einem Pemphigus vulgaris?

Die Erkrankung beginnt meist in einem etwas fortgeschrittenen Lebensalter, die Erstmanifestation zeigt sich meist zwischen dem 40. bis 60. Lebensjahr. Nur in Einzelfällen wurde die Erkrankung bisher auch bei Kindern beschrieben.

Die Symptomatik des Pemphigus vulgaris beginnt meist im Bereich der Mundschleimhaut, bei ungefähr 50 Prozent der Fälle bleibt er auch lediglich auf dieses Areal ausgedehnt, bei allen anderen bilden sich im Verlauf (meist nach ungefähr einem Jahr) die Blasen auch an anderen Körperstellen. Besonders betroffen sind hierbei Hautregionen, die unter viel Druck und Reibung stehen, beispielsweise der Bereich der Achseln, der Leistenregion, der Genitalien oder der Brustbereich. Da die Erstmanifestation die Mundschleimhaut betrifft, sind Schmerzen im Mund, Appetitlosigkeit und Schluckstörungen die ersten Symptome.
 
Der Verlauf kann sich insgesamt sowohl akut als auch chronisch erweisen. Akute Verläufe zeichnen sich durch einzelne, mitunter rezidivierende, schwere Schübe aus, bei denen es nach einer gewissen Zeit zur Erholung und zu symptomfreien Intervallen kommt. Bei chronischen Verläufen hingegen verbleibt die Symptomatik mehr oder weniger schwerwiegend in ungefähr gleicher Form.

Welche Ursachen hat ein Pemphigus vulgaris?

Beim Pemphigus vulgaris handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung; dabei produziert der Körper fälschlicherweise Antikörper gegen körpereigene Strukturen. Im Falle des Pemphigus vulgaris handelt es sich bei dieser Struktur um das Protein des Desmoglein 3, ein wichtiges Protein von Zellmembranen, dass an der Etablierung von Zell-Zell-Kontakten in den unteren Hautschichten (Epidermis) beteiligt ist. Durch die Bildung von Autoantikörpern gegen dieses Protein beginnt das Immunsystem Desmoglein 3 zu zerstören, was zu einer eingeschränkten Verbindung der einzelnen Hautschichten führt. Durch diese fehlende Haftbarkeit verlieren die Hautschichten den Kontakt zueinander und heben sich ab – es kommt zur Blasenbildung.

Wie wird ein Pemphigus vulgaris diagnostiziert?

Die Erstdiagnostik erfolgt durch den Hautarzt, im weiteren Verlauf ist üblicherweise eine Anbindung an ein klinisches Zentrum mit Spezialisierung angeraten. Der Pemphigus vulgaris führt bei aktiver Symptomatik zu einem Hautbild, welches der Dermatologe eindeutig zuordnen und durch einen klinischen Test, dem Nikolski-Phänomen, bestätigen kann.

Beim Nikolski-Phänomen werden zwei Tests unterschieden und die Neigung der Haut, Blasen zu bilden, beschrieben. Wenn sich auf gesunder Haut Blasen durch Schiebedruck auslösen lassen, bezeichnet der Dermatologie dies als Nikosli I positiv. Wenn sich bereits bestehende Blasen durch Druck verschieben lassen, ist Nikolski II positiv.
 
Mithilfe dieser Tests kann der Pemphigus vulgaris von anderen blasenbildenden Erkrankungen unterschieden werden, denn in der Regel sind beide Nikolski-Phänomene positiv. Ausschlaggebend für das Vorliegen eines Pemphigus vulgaris ist der Nachweis von Autoantikörpern gegen Desmoglein 3. Dieser Nachweis erfolgt in der Regel sowohl durch eine Gewebeprobenentnahme und Untersuchung in einem spezialisierten Labor als auch durch eine Blutabnahme.

Unverbindliche Preisanfrage

Von welchen Krankheiten muss ein Pemphigus vulgaris abgegrenzt werden?

Vor allem zu Beginn der Erkrankung ähnelt die Symptomatik des Pemphigus vulgaris meist der von häufig vorkommenden Aphthen, die ebenfalls mit geröteten und schmerzhaften Erosionen der Mundschleimhaut einhergehen und daher für den ungeschulten Blick Verwechslungspotenzial bieten. Bei wiederholtem und gehäuftem Auftreten solltest Du daher unbedingt eine weitere Abklärung in Anspruch nehmen.

 

Im Verlauf kommen differenzialdiagnostisch vor allem andere blasenbildende Autoimmunerkrankungen wie das bullöse Pemphigoid oder weitere Erkrankungen aus der Gruppe des Pemphigus, wie der Pemphigus foliaceus, infrage. Die Unterschiede zwischen den Erkrankungen liegen vor allem in den molekularpathologischen Mechanismen, also darin, gegen welche exakten Strukturen der Haut Autoantikörper gebildet werden. Beim bullösen Pemphigoid und Pemphigus foliaceus sind die oberen Hautschichten betroffen, weshalb die Hautbarriere eher intakt bleibt und die Erkrankungen weniger dramatisch verlaufen. Die Symptomatik hingegen ist ziemlich ähnlich, auch beim bullösen Pemphigoid und Pemphigus foliaceus kommt es zur Blasenbildung, bei beiden Erkrankungen sind die Schleimhäute, im Gegensatz zum Pemphigus vulgaris, nicht oder nur sehr selten betroffen.

Wie lässt sich ein Pemphigus vulgaris behandeln?

Ziel der Therapie ist es, die fehlerhafte, überschießende Reaktion des Immunsystems möglichst gering zu halten, wofür unterschiedliche Medikamente eingesetzt werden. Zusätzlich erfolgt eine lokale Therapie der offenen und verkrusteten Hautstellen mittels desinfizierender und wundheilungsunterstützender Cremes, Salben und Umschläge.

Als systemische, sogenannte immunsupprimierende Behandlung werden in erster Linie Cortisonpräparate eingesetzt. Diese können sowohl in Form von Tabletten als auch Infusionen verabreicht werden und sind bei besser werdender Symptomatik schrittweise abzusetzen. Bei sehr schwerer und häufig rezidivierender Symptomatik kommen weitere immunsuppressive Substanzen wie Azathioprin, Methotrexat oder Ciclosporin zum Einsatz, um eine länger andauernde Cortisongabe und deren mögliche Nebenwirkungen auf den Stoffwechsel zu vermeiden.

Eher neuere Therapieansätze sind Biologika, also monoklonale Antikörper, die im Labor hergestellt werden, sich sehr spezifisch gegen bestimmte Zellen des Immunsystems richten und dessen Funktion damit unterbinden. Diese Therapieform wird in der Regel sehr gut vertragen, ist jedoch relativ teuer und kommt nur bei schweren und therapieresistenten Verläufen zum Einsatz. Die Immunadsorption ist ein weiteres, allerdings extrakorporales Therapieverfahren, ähnlich einer Dialyse. Das Blut wird dabei mithilfe eines maschinellen Vorgehens „gewaschen“ und dabei die krankheitsauslösenden Autoantikörper aus dem Blutplasma entfernt.

Welche Komplikationen können bei einem Pemphigus vulgaris auftreten?

Was den Pemphigus vulgaris so gefürchtet und auch bedrohlich macht, sind neben der ästhetischen Problematik und den Schmerzen vor allem die möglichen Komplikationen, die im schlimmsten Falle auch zum Tod führen können.

Dazu zählen in erster Linie Infektionen mit Bakterien, Pilzen oder Viren, die durch die chronisch gestörte Hautbarriere und die häufigen offenen, erosiven Stellen leicht zustande kommen können. Diese können in Kombination mit dem ohnehin nur eingeschränkt intakten Immunsystem zu schweren und schließlich auch unbeherrschbaren Infektionen der inneren Organe und zu einer Sepsis führen. Ebenfalls häufige und nicht zu verachtende Komplikationen sind zum einen der hohe Flüssigkeitsverlust durch die aufplatzenden Blasen sowie die fehlerhafte Temperaturregulation durch die nicht intakte Haut.
 
Bei ausgeprägter Symptomatik im Bereich der Mundschleimhaut sind vor allem Appetitlosigkeit und Störungen des Kauens und Schluckens verbreitet, wodurch es auch zu deutlichen Gewichtsverlusten kommen kann. Nicht zu vergessen sind zudem die psychischen Folgen, ausgelöst durch die hohe Belastung sowohl im Rahmen der Symptomatik selbst (ästhetischer Makel, Schmerzen) als auch durch die langjährige Therapie.

Wie ist die Prognose bei einem Pemphigus vulgaris?

Die Prognose hat sich in den letzten Jahrzehnten dank moderner und gut wirksamer Therapiemöglichkeiten deutlich verbessert: 80 bis 90 Prozent der Fälle haben zwar mit einer mitunter eingeschränkten Lebensqualität, aber einer weitgehend normalen Lebenserwartung zu rechnen. Unbehandelt führt der Pemphigus vulgaris allerdings immer noch zum Tod.

Übernimmt die Krankenkasse die Kosten für die Behandlung eines Pemphigus vulgaris?

Ja, da es sich um eine lebensbedrohliche und ohne Therapie tödlich verlaufende Erkrankung handelt, bei der eine langfristige Behandlung medizinisch absolut notwendig ist, werden alle Kosten durch die gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Im Falle eines notwendigen Krankenhausaufenthaltes kann ein Selbstbehalt anfallen, informiere Dich hier am besten bei Deiner Krankenkasse, um genaue Informationen dazu zu erhalten.

Diagnostik und Therapie des Pemphigus vulgaris – AWMF online (letzter Zugriff: 30.09.2021)

Pemphigus vulgaris – MSD Manual – Ausgabe für medizinische Fachkreise (letzter Zugriff: 30.09.2021)

Pemphigus vulgaris – Altmeyers Enzyklopädie (letzter Zugriff: 30.09.2021)

Pemphigus vulgaris – ZM online (letzter Zugriff: 30.09.2021)

Diagnostik und Therapie bullöser Autoimmundermatosen – Deutsches Ärzteblatt (letzter Zugriff: 30.09.2021)

Zentrum für bullöse Autoimmundermatosen – Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (letzter Zugriff: 30.09.2021)

Pemphigus vulgaris – Universitätsklinikum Saarland (letzter Zugriff: 30.09.2021)