Epigenetik: Wirkmechanismen der Zelle als Ansatz im Gesundheitswesen

Die Genetik, also die Wissenschaft von den Erbanlagen und der genetischen Vererbung haben den Menschen schon früh beschäftigt. Die Erforschung des Erbguts und der Möglichkeiten, es zu verändern, ist zu einer wichtigen Säule in der medizinischen Forschung geworden. Die Epigenetik als Teildisziplin geht noch einen Schritt weiter und beschäftigt sich mit den Entwicklungsformen der Gene und den Möglichkeiten, diese zu regulieren. Denn schließlich ist der Mensch mehr als die Summe seiner Gene.


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Zuletzt aktualisiert: 11. Februar, 2024



Wichtige Punkte zusammengefasst

Das Wichtigste zusammengefasst

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Das versteht die medizinische Forschung unter Epigenetik

Die Epigenetik ist eng mit dem großen Fachbereich der Genetik verknüpft, als Forschungsgebiet aber viel jünger als die traditionsreiche Lehre von den Erbanlagen. Eine Definition der Epigenetik und ihrer Bedeutung für die medizinische Forschung bietet beispielsweise das Umweltbundesamt am:
  
„Die Epigenetik ist ein Teilgebiet der Biologie und beschäftigt sich mit zellulären Prozessen, die die Aktivität von Genen beeinflussen, nicht aber auf einer Änderung der DNA-Sequenz beruhen.
 
Die Epigenetik erklärt den Einfluss von Umweltfaktoren auf die Zelleigenschaften und den Aktivitätszustand von Genen und beschreibt so mögliche Wirkmechanismen auf zellulärer Ebene.
 
Allen epigenetischen Mechanismen gemeinsam ist, dass sie Einfluss nehmen auf die Menge und Art der Eiweiße in einer Zelle und dass sie veränderbar sind. Sie liefern daher eine Erklärung wie Umweltfaktoren auf zellulärer Ebene wirken und zur Ausprägung bestimmter Merkmale oder Krankheiten führen können.
 
Hierbei können epigenetische Veränderungen auch schon vor einem möglichen Krankheitsbeginn auftreten. Forschung auf diesem Gebiet leistet daher einen Beitrag zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung.“
 
(Quelle: www.umweltbundesamt.de)
 
 
Der Begriff der Epigenetik geht zurück auf den Evolutionsgenetiker Conrad Hal Waddington, der bereits 1942 davon ausging, dass sich der der Genotyp eines Menschen im Laufe des Lebens zu vielen theoretisch möglichen Phänotypen entwickeln könne. Grundlage seiner Annahme war die Tatsache, dass der Genotyp eines Menschen sich in vielen verschiedenen Phänotypen äußerte und keine eindeutige Entsprechung festgestellt werden konnte. Für das daraus resultierende neue Forschungsgebiet prägte Waddington den Begriff der Epigenetik, eine Verbindung aus der Epigenese, der Entwicklung des Organismus, und der Genetik, der Lehre vom Erbgut und seiner Vererbung.
 

Die sieben Säulen der Epigenetik: Ein breites Forschungsfeld stellt sich vor

 
In der Pflanzenbiologie ist die Epigenetik schon länger ein interessantes Forschungsfeld. In der Humanbiologie, insbesondere als Schnittstelle zur Humanmedizin, befindet sich der Forschungsstand noch in den Anfängen. Insbesondere die Frage, welche vielfältigen Einflüsse die genetische Entwicklung des Menschen verändern können, wie ein gesundes Genom aussieht und wie die Entwicklung zu einem gesunden Genom durch äußere Faktoren wie die Ernährung und den Lebensstil gesteuert werden kann, konnte bislang nur in Teilen beantwortet werden.
 
In der Forschung haben sich inzwischen mehre Säulen etabliert, in die die Umweltfaktoren eingeteilt werden, die sich auf die Genaktivität und ihre Entwicklung auswirken. Die BKK GILDEMEISTER SEIDENSTICKER stellt in ihrem Gesundheitsjournal 7 Säulen der Epigenetik vor (Nutri-Epigenetik, Physio-Epigenetik, Psycho-Epigenetik, Sozio-Epigenetik, transgenerationale Epigenetik, Umweltmedizin und Schlaf), die dir im Folgenden zeigen sollen, wie vielfältig das Forschungsgebiet der Epigenetik ist.
 

 

 

Die Nutri-Epigenetik

Die Nutri-Epigenetik ist als Säule von besonderer Bedeutung für die Humanmedizin. Sie beschäftigt sich mit dem Einfluss der Ernährung auf die genetischen Anlagen des Menschen und die Entwicklungen auf Zellebene. In der Nuti-Epigenetik geht es darum, zu erforschen, wie sich verschiedene Nahrungsmittel, Inhaltsstoffe und Ernährungsgewohnheiten auf das Epigenom, also auf die Entwicklungszentrale des Genoms, auswirken.
 
Das eine ausgewogene, bewusste und gesunde Ernährung sich positiv auf die physische und auch psychische Gesundheit auswirkt, ist keine neue Erkenntnis. Die Forschung im Bereich der Ernährungswissenschaften basiert auf dem Wissen um Makronährstoffe wie Proteine und ungesättigte Fettsäuren und Mikronährstoffe wie Mineralstoffe, Vitamine und Spurenelemente und spricht Empfehlungen zu einer ausgewogenen Ernährung aus.
 
Die Nutri-Epigenetik macht sich das Wissen rund um die Nährstoffe zunutze und beschäftigt sich mit der Frage, wie Zellen versorgt werden müssen, um sich gesund zu entwickeln und zu arbeiten und wie sich die Zuführung von Nährstoffen oder der Mangel an Nährstoffen auf das Epigenom und damit auf die gesunde Entwicklung von Zellen auswirken kann.

Die Physio-Epigenetik

Die Bewegung als wesentlicher Baustein eines gesunden Lebenswandels ist schon lange bekannt. Die Physio-Epigenetik knüpft daran an und beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Bewegung auf die Entwicklung von Muskelzellen und die Stoffwechselprozesse, die für die vielfältigen Bewegungsabläufe sowie den Auf- und Abbau von Muskulatur und die Regeneration verantwortlich sind.
 
Die Physio-Epigenetik geht davon aus, dass je nach äußeren Einflüssen bestimmte Gene in den Muskelzellen aktiviert werden und dazu beitragen, dass sich der Muskelaufbau und die Bewegungsfähigkeit im Organismus entwickeln. Auch die Verteilung von Fett- und Muskelzellen soll mit der Entwicklung von Epigenomen zusammenhängen. Durch eine Analyse des Organismus auf zellulärer Ebene soll es möglich sein, den eigenen Körper besser zu verstehen und durch regelmäßige, gezielte Bewegung zu unterstützen und langfristige Veränderungen herbeizuführen.
 
Im Leistungssport findet die Physio-Epigenetik schon lange Anwendung. Auch im medizinischen Bereich können wissenschaftliche Erkenntnisse zu Erbanlagen und den Möglichkeiten, ihre Entwicklung zu regulieren, wichtige Impulse für einen gesunderen Lebenswandel geben.

Die Psycho-Epigenetik

Das Gehirn als wesentliche Schaltzentrale aller Prozesse im Körper ist seit Jahrhunderten Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Die Psycho-Epigenetik kann als eine Art Schnittstelle zwischen der etablierten Neurowissenschaft und der Genetik betrachtet werden.
 
Die Signale, die das Gehirn durch den Körper sendet, wirken auch auf Zellebene und kommunizieren mit den Epigenomen, die die Entwicklung der Zellen steuern. Die Aktivität der Gene wird damit direkt durch die Impulse des Gehirns beeinflusst. Chemische Botenstoffe und Neurotransmitter prägen die psychische Entwicklung auch auf zellulärer Ebene. Das bedeutet, dass Erfahrungen im positiven und negativen Sinn Auswirkungen darauf haben können, wie sich die Genexpression auf psychischer Ebene entwickelt.
 
Mit den Erkenntnissen der Psycho-Epigenetik soll es möglich werden, in gewissem Maße Einfluss auf die Entwicklung von Epigenomen zu nehmen, die für psychische Ausprägungen und Verhaltensmuster verantwortlich sind.

Die Sozio-Epigenetik

In der Sozio-Epigenetik stehen die sozialen Gefüge, in denen sich ein Mensch bewegt, die sozialen Bindungen, die er pflegt und die Auswirkungen, die sie auf seine Entwicklung haben, im Fokus der Forschung. Jeder Mensch ist in einen sozialen Kontext eingebettet, der sein Verhalten und seine Entwicklung von Geburt an prägt.
 
Die konkrete Genepression, so die Annahme der Sozio-Epigenetik, kann in einen direkten Zusammenhang gebracht werden mit sozialen Einflüssen. Die Forschung in diesem Fachbereich bringt die psychische und physische Gesundheit in Zusammenhang mit sozial geprägten Genexpressionen. Ein Beispiel sind kognitive Entwicklungsmöglichkeiten bei Kindern und Jugendlichen in Abhängigkeit vom sozialen Gefüge, in dem sie aufwachsen. Ein weiteres Beispiel sind Stressoren, die sich auf die psychische und physische Gesundheit auswirken und in direktem Zusammenhang stehen können mit dem sozialen Umfeld, in dem wir uns bewegen.

Die transgenerationale Epigenetik

Die transgenerationale Epigenetik geht davon aus, dass Einflüsse auf das Epigenom nicht nur den Organismus in seiner Entwicklung beeinflussen, sondern auch Auswirkungen auf die Vererbung genetischer Dispositionen und damit auf nachfolgende Generationen haben können.
 
Die Analyse genetischer Anlagen und der damit verknüpften Epigenome umfasst in diesem Teilbereich der Epigenetik deshalb immer auch die Betrachtung vorangegangener Generationen und der vielfältigen Einflüsse, denen sie in ihrer Entwicklung ausgesetzt waren.
 
Die transgenerationale Epigenetik bietet breite Anknüpfungspunkte zu den übrigen Säulen der Epigenetik sowie zu zahlreichen weiteren wissenschaftlichen Disziplinen und medizinischen Forschungsgebieten. Erkenntnisse aus der Forschungsarbeit der transgenerationalen Epigenetik sollen Möglichkeiten aufzeigen, ungünstige Lebensweisen und Verhaltensmuster zu durchbrechen, die vergangene Generationen im Erbgut übermittelt haben können und damit positive Impulse für eine gesündere Lebensweise und genetische Entwicklung zu setzen.

Die Umweltmedizin

Zahlreiche Umwelteinflüsse wirken täglich auf den Organismus und seine Entwicklung ein. Verschiedene Forschungsbereiche beschäftigen sich schon lange mit den Auswirkungen, die dies auf die physische und psychische Gesundheit haben kann. Schadstoffe in der Luft, Lärm, Giftstoffe im Grundwasser und in Lebensmitteln, all das beeinflusst die Stoffwechselprozesse auch auf zellulärer Ebene.
 
Die genetische Veranlagung und die epigenetische Steuerung von Zellprozessen hängen ebenfalls mit den Auswirkungen von Umwelteinflüssen zusammen. Die Umweltmedizin analysiert die Folgen unterschiedlichster Umwelteinflüsse auf die physische und psychische Gesundheit, ermittelt Risikofaktoren und entwickelt Strategien, die dabei helfen können, die Einflüsse schädlicher Umweltfaktoren zu reduzieren.
 
Die Aufgabe der Epigenetik im Bereich der Umweltmedizin besteht darin, die Auswirkungen auf das Epigenom aufzuschlüsseln und zu ermitteln, wie sie gezielt gesteuert werden können. So kann es möglich werden, Risiken durch Umwelteinflüsse einzuschätzen, den eigenen Körper und seine Reaktion darauf besser kennenzulernen und durch Veränderungen des Lebenswandels Einfluss darauf zu nehmen, wie stark Umwelteinflüsse das Epigenom lenken können.

Der Schlaf

Im Schlaf werden verschiedene Funktionen des Körpers auf ein Minimum reduziert und geben damit Raum für wichtige regenerative Prozesse. Der Zusammenhang zwischen einer ausreichenden Menge an erholsamem Schlaf und der psychischen und physischen Gesundheit sind bekannt. Mehrere für das Überleben wichtige Stoffwechselprozesse auf zellulärer Ebene hängen direkt mit der regenerativen Wirkung von Schlaf zusammen.
 
Auch auf einige epigenetische Prozesse soll das Schlafverhalten direkten Einfluss nehmen. Das bedeutet, dass der Schlaf sich darauf auswirkt, wie sich genetische Anlagen im Körper verändern und im nächsten Schritt auch weitervererbt werden. Dazu zählt beispielsweise der Alterungsprozess und die Entwicklung des Immunsystems.
 
Der Schlaf als siebte Säule der Epigenetik soll Aufschluss darüber geben, wie stark sich ein gesundes und bewusstes Schlafverhalten auf einen gesunden Lebenswandel und auf die physische und psychische Gesundheit auswirken kann.
 
In der modernen Medizin wird die Epigenetik eine immer größere Rolle spielen. Sie bietet Ansatzpunkte für Empfehlungen zu einem gesunden Lebenswandel, für gezielte Präventivmaßnahmen und Therapieansätze in unterschiedlichen Bereichen. Als Forschungsgebiet wird die Epigenetik das breite Feld der Genetik künftig stärker unterstützen.


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Über den Autor: Dr. med. Benjamin Gehl

Facharzt für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie


Als Facharzt für plastische, ästhetische und rekonstruktive Chirurgie liegt die Leidenschaft von Dr. Gehl schon immer im Bereich der medizinischen Contentproduktion.

Aufgrund seiner Ausbildung, einer langjährigen Einsatzzeit in der rekonstruktiven und plastischen Chirurgie, sowie zahlreichen Auslandseinsätzen in Indien, Afrika und Amerika weiß er, welche Techniken und Behandlungen für medizinische Indikationen international Anwendung finden und State of the art sind.

Weiterhin beschäftigt er sich täglich mit neuen Trends und Techniken in der operativen und nicht-operativen Chirurgie. Fortbildungen sowie Studien zählen genauso zu seiner Leidenschaft wie die Veröffentlichung wissenschaftlicher Arbeiten zu den neuesten fachspezifischen Themen.

Bitte beachte, dass sämtliche zur Verfügung gestellten Inhalte zu den einzelnen Behandlungen, Abläufen, Preisen etc. generelle Informationen sind und je nach Ärzt*in und individuellem Fall und Ausgangslage variieren können.

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