Neurofibromatose

Die Neurofibromatose ist eine sehr seltene Erkrankung, die auf eine Veränderung eines Gens zurückzuführen ist. Betroffen ist in erster Linie das Nervensystem. Mediziner unterscheiden verschiedene Typen der Neurofibromatose. Sie alle verursachen verschiedene Arten von gutartigen Tumoren und können komplexe gesundheitliche Probleme nach sich ziehen. Die Mutation kommt bei etwa einem von 3.000 Neugeborenen vor. Bei einem großen Teil der Betroffenen kommt es zu kein oder nur zu sehr geringen gesundheitlichen Auswirkungen.


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Neurofibromatose

Was versteht die Medizin unter einer Neurofibromatose?

Bei einer Neurofibromatose handelt es sich um eine Gruppe genetischer Krankheiten, die durch Mutationen bestimmter Gene verursacht werden. Typisch sind viele weiche, fleischige Wucherungen von verändertem Nervengewebe, sogenannte Neurofibrome, die sich unter der Haut bilden. Auf der Hautoberfläche entstehen milchkaffeefarbene Flecken. Mögliche Symptome sind auch Knochenfehlbildungen, Koordinationsschwierigkeiten sowie Störungen des Gehör- oder des Sehsinnes.
 
Bei einer Neurofibromatose handelt es sich um ein neurokutanes Syndrom, denn es verursacht Probleme, die das Gehirn, die Wirbelsäule und die Nerven (neuro) sowie die Haut (kutan) betreffen.

In welche Typen wird eine Neurofibromatose unterteilt?

Mediziner unterscheiden drei Typen der Neurofibromatose. Sie unterscheiden sich hinsichtlich des betroffenen Gens beziehungsweise Chromosoms, auf dem die Veränderung sitzt. Darüber hinaus unterscheiden sie sich auch hinsichtlich der Symptome, die sie verursachen.

Typ 1 ist auch als NF1 oder Recklinghausen-Krankheit bekannt. Sie zählt zu den häufigsten genetischen Erkrankungen. Etwa 1 von 2.500 bis 4.000 Menschen ist davon betroffen. Die Genmutation befindet sich auf Chromosom 17, das für die Zellregulation zuständig ist. Wenn die Zellregulation nicht richtig funktioniert, können Tumore entstehen. Die Neurofibrome, also die Veränderungen am Nervengewebe, entstehen entlang der peripheren Nerven. Sie verlaufen beispielsweise unter der Haut und unmittelbar entlang des Rückenmarks. Bei manchen Betroffenen entstehen auch Tumore in den Sehnerven. Ebenso können bei der Recklinghausen-Krankheit Knochen und Weichgewebe, etwa die Muskulatur, betroffen sein.

Die Typ 2 Neurofibromatose kommt wesentlich seltener vor und betrifft etwa 1 von 35.000 bis 50.000 Menschen. Mediziner sprechen hierbei auch von zentraler Neurofibromatose oder einem bilateralen Akustikusneurinom. Die Genmutation sitzt bei dieser Form auf dem Chromosom 22. Die Betroffenen leiden unter Tumoren am Hörnerv. Mediziner sprechen dabei auch von einem Akustikusneuroinom. In einigen Fällen entstehen die Gewächse auch im Gehirn oder um das Rückenmark herum. Die Tumore sind im Normalfall nicht bösartig.

Besonders selten ist der Typ 3, die Schwannomatose. Etwa 1 von 25.000 bis 70.000 Menschen ist betroffen. Auch bei dieser Form ist die Mutation auf dem Chromosom 22 zu finden. Bei einer Schwannomatose entstehen Wucherungen, die vorrangig aus Schwannzellen bestehen. Sie wachsen im Bereich der Wirbelsäule und betreffen auch das Hirn und die peripheren Nerven.

Was sind die Symptome einer Neurofibromatose?

Bei einer Typ1 Neurofibromatose kommt es außer den charakteristischen milchkaffeefarbenen Flecken und Knoten unter der Haut, den sogenannten Neurofibromen, zu keinerlei Symptomen.

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Diese Flecken sind auch als Café-au-lait-Flecken bekannt. Sie sind flach und haben eine mittelbraune Färbung. Nicht selten bleiben die Veränderungen auf der Haut von den Betroffenen unbemerkt. Es kommt vor, dass die Neurofibrome Druck auf einen Nerv ausüben. Dann kommt es bei Betroffenen möglicherweise zu einem Kribbeln oder einer Schwäche in der Nähe des Knotens.
 
Bei neun von zehn betroffenen Kindern sind die typischen Café-au-lait-Flecken auf der Haut vorhanden. Die Hautregionen von Brust, Rücken, Becken, Ellenbogen und den Knien können betroffen sein. Die Hautverfärbungen sind meist von Geburt an vorhanden oder entstehen im Laufe der frühen Kindheit. Auch Neurofibrome sind ein häufiges Symptom von Typ 1 Neurofibromatose. Sie bestehen allerdings nicht von Geburt an, sondern entwickeln sich im Alter von zehn bis 15 Jahren. Sie nehmen unterschiedliche Formen und Größen an. Ebenso unterscheidet sich ihre Anzahl je nach Betroffenem. Manche Patienten weisen um die zehn Neurofibrome auf, bei anderen können sich auch Tausende solcher Wucherungen bilden.
 
In den meisten Fällen verursachen Neurofibrome keine weiteren Symptome. In seltenen Fällen können sie aber zu anatomischen Anomalien führen. Das kann etwa die Verkrümmung der Wirbelsäule sein, es kann zu einer Deformation der Rippen kommen, aber auch eine Vergrößerung der Knochen in den Armen und Beinen ist möglich. Zudem kann es zu Knochendefekten der Beinknochen oder des Schädelknochens kommen. Zu hervorstehenden Augen kann es kommen, wenn der Knochen im Bereich der Augen betroffen ist.

Die Nerven können ebenso von Neurofibromen betroffen sein. Häufig wachsen sie im Bereich der Spinalnervenwurzeln. Auch in diesem Bereich verursachen Neurofibrome oft keine oder nur sehr leichte Probleme. Üben sie jedoch Druck auf das Rückenmark aus, sind Lähmungserscheinungen und Empfindungsstörungen in verschiedenen Körperregionen möglich. Es kann auch dazu kommen, dass Neurofibrome die peripheren Nerven einklemmen. Diese funktionieren dann nicht mehr richtig. Es kommt zu Schmerzen, einem Kribbeln, Gefühllosigkeit oder Schwäche. Betreffen die Gewächse die Nerven im Gehirn, kann das zu Blindheit, Schwindel, Koordinationsproblemen und Schwäche führen.

Eine Typ 1 Neurofibromatose kann aber auch noch andere Symptome nach sich ziehen. Dazu zählen etwa ein Tumor am Sehnerv (optisches Gliom) oder Lisch-Knoten, also gutartige Wucherungen auf der Iris. Das ist jener Teil des Auges, der farbig ist. Auswölbungen in den Arterienwänden, sogenannte Aneurysmen oder Blockaden in den Arterien sind ebenso mögliche Folgen wie ein leicht vergrößerter Kopf, Lernprobleme oder Leukämie. In manchen Fällen entstehen auch bösartige Tumore. Eine Typ 1 Neurofibromatose verläuft im Normalfall langsam. Je mehr Neurofibrome sich bilden, desto wahrscheinlicher wird auch das Auftreten neurologischer Schwierigkeiten.


Sogenannte Akustikneurinome, also Tumore des Hörnervs, sind typische Symptome bei einer Typ 2 Neurofibromatose. Sie treten an einem oder an beiden Hörnerven auf. Ein Akustikneurinom macht sich durch Hörschäden, ein dauerhaftes Klingeln in den Ohren (Tinnitus), Unsicherheit beim Gehen oder ein Schwindelgefühl bemerkbar. Manchmal kommt es auch zu Kopfschmerzen oder einem Schwächegefühl in Teilen des Gesichts. Bei manchen Betroffenen kommt es bereits im Kindesalter zu ersten Symptomen, bei anderen hingegen erst im Laufe des frühen Erwachsenenalters. Bei manchen Patienten kommt es frühzeitig zur Bildung eines grauen Stars.

 

Bei einer Typ 3 Neurofibromatose, der Schwannomatose, können sich an fast jedem Nerv im Körper gutartige Tumoren bilden. Mediziner sprechen dabei von Schwannomen oder einem Nervenscheidentumor. Lediglich am Hörnerv kommen solche Gewächse nicht vor. Die Anzahl der Schwannome unterscheidet sich von Patient zu Patient. Chronische, stärker werdende Schmerzen können ein Hinweis auf einen Nervenscheidentumor sein. Manche Betroffene bemerken eine Gefühllosigkeit, Kribbeln oder ein Schwächegefühl in den Fingern oder in den Zehen. Je nach Lage der Gewächse sind auch andere Symptome möglich.

Wie ist die Prognose bei einer Neurofibromatose?

Vor allem bei einer Typ 1 Neurofibromatose ist der Verlauf absolut nicht vorhersehbar. Betroffene, die an einer Typ 1 Neurofibromatose leiden, müssen daher lebenslang kontrolliert werden. Der Schweregrad kann stark variieren und es besteht ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von bösartigen Tumoren. Selbst bei Betroffenen, die derselben Familie angehören, können der Verlauf sowie der Schweregrad der Erkrankung sehr unterschiedlich sein.
 
Viele Patienten mit Neurofibromatose können ein weitestgehend normales Leben führen. Bei manchen Betroffenen ist jedoch die Lebenserwartung reduziert. Eine allgemeine Aussage darüber lässt sich aber nicht so einfach treffen, da dies in erster Linie vom Verlauf der Krankheit und dem Erfolg der Therapie der jeweiligen Symptome abhängig ist.
 
Schwerwiegende Komplikationen treten keinesfalls bei jedem Betroffenen auf. Manche der ernsteren Komplikationen treten nur während der ersten Lebensjahre auf – etwa Deformationen des Gesichts oder der Beinknochen. Treten diese nicht im jungen Lebensalter auf, sind diese auch später nicht mehr zu erwarten.

Welche Ursachen hat eine Neurofibromatose?

Bei etwa 50 Prozent der Betroffenen hat eine Neurofibromatose erbliche Ursachen. Nur ein entsprechendes Gen eines Elternteils ist erforderlich, damit sich eine Neurofibromatose entwickelt. Somit hat jedes Kind eines betroffenen Elternteils ein 50-prozentiges Risiko, ebenfalls daran zu erkranken. Die andere Hälfte der Fälle hat ihre Ursache in einer nicht vererbten, spontanen Genmutation. Bei anderen Familienmitgliedern kommt die Neurofibromatose nicht vor.

Wie wird eine Neurofibromatose diagnostiziert?

Häufig diagnostiziert der Arzt eine Neurofibromatose im Zuge einer Routineuntersuchung. Andere Patienten suchen aufgrund kosmetischer Beschwerden, die mit einer Neurofibromatose in Verbindung stehen, einen Arzt auf.

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In anderen Fällen steht die Diagnosestellung aber auch im Zusammenhang mit einer speziellen Untersuchung aufgrund von bestehenden Fällen von Neurofibromatose in der Familie.
 
Bildgebende Verfahren wie eine Magnetresonanztherapie (MRT) oder eine Computertomographie (CT) helfen dem Arzt vor allem bei Patienten mit neurologischen Symptomen, sich ein Bild über das Ausmaß der Wucherungen im Bereich des Kopfs oder des Rückenmarks zu machen. Ein Gentest ist kein Standardverfahren bei der Diagnose einer Neurofibromatose. Leidet jedoch ein Elternteil an einer Typ 1 Neurofibromatose, kann ein Gentest Aufschluss darüber geben, ob beim Kind die gleiche Mutation vorhanden ist.

Wie lässt sich eine Neurofibromatose behandeln?

Eine Neurofibromatose kann nicht aufgehalten werden und ist nicht heilbar. Die Behandlung besteht also im Wesentlichen daraus, Symptome zu lindern beziehungsweise eine Verschlechterung zu vermeiden. Verursachen Neurofibrome Symptome, kann der Arzt diese aber behandeln. Das passiert entweder im Zuge einer Operation oder im Falle von kleineren Neurofibromen mithilfe eines Lasers oder Elektrokauters. In manchen Fällen ist die Entfernung des betroffenen Nervs nötig. Sofern sich auch bösartige Tumoren entwickelt haben, erfolgt eine Behandlung auch mittels Chemotherapie.
 
Eine Neurofibromatose kann erblich bedingt sein. Bei Betroffenen mit Kinderwunsch ist daher eine Genberatung empfohlen. Sofern die Erkrankung erblich bedingt ist, erben die Kinder die Genmutation mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit. Wurde die Störung nicht an das Kind weitergegeben, ist bei dessen Nachkommen das Risiko, an einer Neurofibromatose zu erkranken, äußerst gering.

Welche Komplikationen können bei einer Neurofibromatose auftreten?

Während manche Betroffene von ihrer Erkrankung nicht viel bemerken, kommt es bei anderen zu schweren Komplikationen. Das können etwa Knochenfehlbildungen, Minderwuchs, Entwicklungsstörungen oder auch Komplikationen im Zusammenhang mit verschiedenen Tumoren sein.

Ebenso kann es zu Gefäßerkrankungen oder Bluthochdruck kommen. Bei manchen Betroffenen kommt es in jungen Jahren zu schweren Komplikationen einer Neurofibromatose, wie etwa Gesichts- oder Beinveränderungen. Mit zunehmendem Alter sinkt jedoch das Risiko solcher Komplikationen.
 
Kommt es zur Entstehung von bösartigen Tumoren oder Veränderungen der Blutgefäße, kann eine Neurofibromatose lebensbedrohlich werden. Vor allem bei schnell wachsenden und schmerzhaften Knoten oder auch neu auftretenden neurologischen Beschwerden ist es daher ratsam, rechtzeitig zum Arzt zu gehen. Frauen, die an einer Neurofibromatose leiden, haben zudem ein erhöhtes Brustkrebsrisiko, weshalb etwa ab dem 35. Lebensjahr eine regelmäßige Früherkennungsuntersuchung angezeigt ist.

Übernimmt die Krankenkasse die Kosten für die Behandlung einer Neurofibromatose?

Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für die Diagnose und medizinisch notwendige Therapie einer Neurofibromatose. Je nach Versicherungsträger kann ein Selbstbehalt anfallen. Die Kosten für rein kosmetische Behandlungen sind mit dem Arzt oder dem Versicherungsträger abzuklären – in der Regel musst Du sie jedoch selbst bezahlen. Genauere Informationen dazu erhältst Du direkt von Deiner Krankenkasse oder von Deinem behandelnden Arzt.

 

Neurofibromatose Typ 1 – Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (letzter Zugriff: 21.09.2021)

Neurofibromatose – MSD Manual – Ausgabe für medizinische Fachkreise (letzter Zugriff: 21.09.2021)

Neurofibromatose: Krankheit mit vielen Gesichtern – Pharmazeutische Zeitung (letzter Zugriff: 21.09.2021)

Was ist eigentlich … eine Neurofibromatose? – Deutsche Apotheker Zeitung (letzter Zugriff: 21.09.2021)

Neurofibromatosen – Deutsches Ärzteblatt (letzter Zugriff: 21.09.2021)

Neurofibromatose – Altmeyers Enzyklopädie (letzter Zugriff: 21.09.2021)

Neurofibromatose – Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (letzter Zugriff: 21.09.2021)