Die Medizin versteht unter einer Hypertrichose eine übermäßig starke Körperbehaarung, die auf eine gesteigerte Haardichte zurückzuführen ist und geschlechterunabhängig auftritt. Die Hypertrichose kann lokal begrenzt auftreten oder sich auf den gesamten Körper erstrecken. Die Hypertrichose selbst hat in den seltensten Fällen Krankheitswert. Daher müssen Betroffene kaum mit körperlichen Einschränkungen durch den gesteigerten Haarwuchs rechnen.
Viel mehr spielen psychische Faktoren, wie Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl aufgrund von Reaktionen anderer Menschen, besonders bei Frauen eine Rolle. Hier ist es wichtig, die Betroffenen zu unterstützen, um die psychische Gesundheit zu gewährleisten.
Die Hypertrichose kann sowohl angeboren als auch im Laufe des Lebens erworben sein. Wenn die Hypertrichose erworben wurde, liegt dem verstärkten Haarwuchs eine andere Erkrankung zugrunde.
Die starke Behaarung kann sich über den gesamten Körper erstrecken oder nur an Teilbereichen auftreten. Die Lanugobehaarung bei Föten im Mutterleib ist auch eine Form der Hypertrichose, die allerdings bis zur Geburt in der Regel wieder verschwindet. Bei Patienten, die an einer Anorexia nervosa leiden, kann diese Lanugobehaarung erneut auftreten. Neben einem übermäßigen Wachstum des Terminalhaars und der Lanugobehaarung gibt es noch eine dritte Erscheinungsform, das Wuchern des Vellushaars, welches an Stellen wächst, an denen normalerweise kein Terminalhaar wächst.
Bei einer Hypertrichose handelt es sich um eine verstärkte Behaarung, die nicht dem typischen männlichen Behaarungsmuster entspricht. Im Gegensatz dazu entspricht die Behaarung bei einem Hirsutismus dem männlichen Behaarungsmuster. Der Grund für einen Hirsutismus kann in der Wirkung der männlichen Geschlechtshormone liegen, die in geringen Mengen auch bei Frauen vorkommen, in vielen Fällen ist die Ursache aber nicht erkennbar. Der Unterschied zwischen den beiden Krankheitsbildern besteht also darin, dass die Hypertrichose im Gegensatz zum Hirsutismus nicht hormonabhängig ist.
Die Vorsilben hyper- und hypo- kommen aus dem Griechischen. Hyper bedeutet so viel wie „über“ oder „übermäßig“, hypo dagegen „unter“ oder „darunter“. Die Hypertrichose beschreibt demnach ein Übermaß an Haarwuchs, wohingegen eine Hypotrichose einfach gesagt für Haarausfall oder verminderte Körperbehaarung steht. Die Hypotrichose ist meist angeboren.
Bei der Hypertrichose kommt es zu einem verstärkten Wachstum von Haaren, welches nicht dem typischen Behaarungsmuster entspricht. Ein typisch männliches Behaarungsmuster liegt vor, wenn der übermäßige Haarwuchs auf Kinn, Oberlippe, Ohrmuschel, Brust, Bauch, Vorder- und Innenseite der Oberschenkel oder die Schamregion beschränkt ist.
Eine erworbene Hypertrichose kündigt sich häufig durch starke Rötungen auf der Haut an. Bald wachsen zunächst kleine Haare auf der betroffenen Stelle, im weiteren Verlauf verstärkt sich der Haarwuchs, Betroffene nehmen außerdem einen mäßigen bis starken Juckreiz wahr. Auch Wimpern, Augenbrauen oder das Barthaar können betroffen sein. Oft schwitzen Personen mit einer Hypertrichose häufiger, auch können sie zu einem verstärkten Schweißgeruch neigen.
Die Ursachen für eine Hypertrichose sind vielfältig. Manche Krebserkrankungen können ein sogenanntes paraneoplastisches Syndrom auslösen. Manchmal ist die Hypertrichose auch ein Symptom einer anderen Krankheit, wie zum Beispiel der Dermatomyositis oder einer Anorexia nervosa. Sie kann sich aber auch aufgrund von extremem Stress äußern.
Bestimmte Medikamente, wie zum Beispiel das Antibiotikum Streptomycin oder Wirkstoffe wie Psoralen, können ebenfalls zu einer verstärkten Behaarung führen. Außerdem haben Personen mit mediterranem Hauttyp in der Regel eine dichtere und dickere Behaarung als Nordeuropäer und diese wiederum eine stärkere als Asiaten. Dies hat aber nicht zwangsläufig einen Krankheitswert.
Der Krankheitsverlauf ist abhängig von der zugrunde liegenden Ursache. Bei einer erworbenen Hypertrichose kommt es zunächst zu juckenden Rötungen, auf welchen im weiteren Verlauf feine Härchen wachsen. Später nimmt dieser Haarwuchs noch weiter zu. Betroffene leiden oft auch unter Juckreiz oder Schweißgeruch, welche unterschiedlich stark ausgeprägt sein können.
Zunächst befragt Dich Dein Arzt zum Beispiel, wann der übermäßige Haarwuchs aufgetreten ist beziehungsweise, wann Du ihn bemerkt hast, ob Du außerdem noch weitere Beschwerden hast oder ob Du Medikamente einnimmst.
Daraufhin folgt die körperliche Untersuchung, bei welcher der Arzt Deine Körperbehaarung und möglicherweise andere Auffälligkeiten begutachtet. In manchen Fällen ordnet Dein Arzt Blutuntersuchungen oder Labortests an, um so die Konzentrationen verschiedener Hormone zu ermitteln.
Es gibt des Weiteren eine Reihe von Tests, die die Steuerung der Hormone im Körper überprüfen können. Wenn der Arzt vermutet, dass ein Tumor die Ursache Deiner Beschwerden sein könnte, ordnet er weitere Untersuchungen, wie zum Beispiel Ultraschalluntersuchungen, eine Computertomographie, eine Kernspintomographie oder die Bestimmung bestimmter Hormone an.
Eine Hypertrichose muss nicht zwangsläufig behandelt werden. Wenn allerdings zum Beispiel ein hormonproduzierender Tumor die Ursache für Deine verstärkte Körperbehaarung ist, besteht die Therapie in einer Operation, in welcher der Arzt diesen Tumor entfernt. Nimmst Du zurzeit bestimmte Medikamente ein, die ursächlich für die Hypertrichose sind, solltest Du Rücksprache mit Deinem Arzt halten und die Medikamente gegebenenfalls mit dessen Zustimmung absetzen.
Es ist außerdem möglich, eine übermäßige Körperbehaarung mithilfe einer Hormontherapie zu behandeln. Zu den einfachsten Methoden der Haarentfernung gehört die Rasur oder, falls Du Dir eine längerfristige Methode wünschst, die Epilation oder die Elektroepilation. Außerdem gibt es mittlerweile verschiedene Methoden der dauerhaften Haarentfernung wie etwa die Laser-Haarentfernung oder die Haarentfernung mit IPL. Wenn Du nur unter geringfügig stärkerem Haarwuchs leidest, kann das Bleichen der Haare eine kostengünstige Option darstellen.
Operiert Dich Dein Arzt zum Beispiel aufgrund eines Tumors, der die Hypertrichose verursacht, können klassische Komplikationen bei operativen Eingriffen auftreten. Die Wahrscheinlichkeit für solche Komplikationen wie Infektionen oder Blutungen sind aber relativ gering. Dein Arzt bespricht vor dem Eingriff genau, welche Risiken bestehen und welche Komplikationen auftreten können.
Auch bei einer Hormonbehandlung können Komplikationen auftreten, diese sind abhängig vom gewählten Medikament. Schwangere Frauen sollten keine Medikamente nehmen, die männliche Hormone blockieren, da sich ansonsten bei einem männlichen Fötus weibliche Eigenschaften entwickeln können. Eine Hormontherapie darf nur unter strenger ärztlicher Überwachung stattfinden.
Auch bei den klassischen Methoden der Haarentfernung kann es zu Komplikationen kommen. Bei häufigem Rasieren beispielsweise kann die Haut an den betroffenen Stellen geschädigt werden, auch eingewachsene Haare sind möglich. Nach einer Haarentfernung mittels Laser oder IPL kann es direkt nach der Behandlung zu Rötungen und leichten Schwellungen kommen, die jedoch nach wenigen Tagen abklingen.
Ist die Behandlung der Hypertrichose ärztlich indiziert, wie beispielsweise bei einem Tumor, übernehmen die Krankenkassen die Kosten für die Behandlung. Handelt es sich allerdings um ein rein kosmetisches Problem, kommen die Krankenkassen in der Regel nicht für die Behandlung auf. Eine Ausnahme bilden besonders schwere Fälle.
Solltest Du Dich beispielsweise für eine dauerhafte Haarentfernung mittels Laser entscheiden, musst Du mit Kosten ab 100 Euro aufwärts rechnen. Die Kosten für eine dauerhafte Haarentfernung hängen jedoch stark davon ab, wie groß das Behandlungsareal ist, weshalb die Kosten auch auf 500 bis 1.000 Euro ansteigen können. Außerdem sind meist mehrere Sitzungen notwendig, um zum gewünschtem Ergebnis zu kommen.
Einige Personen, besonders häufig Frauen, klagen über starkes Haarwachstum und unzureichende Haarentfernungsmethoden. Übermäßige Behaarung kann psychisch sehr belastend sein. So sehr, dass manche Betroffene sogar den eigenen Körper ablehnen. Dadurch kann das gesellschaftliche Leben stark eingeschränkt werden. Es ist daher wichtig, zu verstehen, was es mit dem übermäßigen Wachstum der Haare, der Hypertrichose, auf sich hat.
AUTOR
Dr. med. Benjamin Gehl
Medizinischer Experte
CO-AUTOR
Maja Lechthaler
Online-Redaktion
Dieser Text wurde nach höchsten wissenschaftlichen Standards verfasst und von Medizinern geprüft.
Inhaltsverzeichnis
Was versteht die Medizin unter einer Hypertrichose?
Was sind die Symptome einer Hypertrichose?
Welche Ursachen hat eine Hypertrichose?
Wie ist der Krankheitsverlauf einer Hypertrichose?
Wie diagnostiziert der Arzt eine Hypertrichose?
Wie lässt sich eine Hypertrichose behandeln?
Welche Komplikationen können bei der Behandlung einer Hypertrichose auftreten?
Was kostet die Behandlung einer Hypertrichose und übernimmt die Krankenkasse die Kosten?