Hepatische Enzephalopathie

Bei einer hepatischen Enzephalopathie verschlechtert sich die Gehirnleistung bei Patienten mit schweren Leber(vor)erkrankungen aufgrund von Abbauprodukten, die gewöhnlich von der Leber entfernt werden, jedoch nun aufgrund der Vorschädigung im Körper anfluten und über die Blutbahn ins Gehirn gelangen können. Die hepatische Enzephalopathie ist eine nicht seltene Komplikation der Leberzirrhose und führt neben einer Einschränkung der Lebensqualität, auch zu einer erhöhten Mortalität der Betroffenen. Das Krankheitsbild umfasst eine Wesensveränderung, Konzentrationsstörungen, verzögerte Reaktion, ein verschlechtertes Schlafverhalten, Veränderungen des Schriftbildes und ein nicht willentlich steuerbares Muskelzittern. Das Beschwerdespektrum reicht von leichten, unauffälligen Veränderungen bis hin zum Vollbild des Leberkomas. Außerdem können die Ausfälle chronisch auftreten oder in Episoden vorkommen. Das Abführmittel Lactulose verhindert als vorbeugende Maßnahme das Auftreten neuerlicher Episoden in leichten Fällen. Bei chronischen oder schwer verlaufenden Formen der Enzephalopathie findet vor allem die Kombinationstherapie aus Lactulose und einem schlecht verwertbaren Antibiotikum Anwendung.


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Medizinischer Experte

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Cand. med.

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Inhaltsverzeichnis

Hepatische Enzephalopathie

ICD-10-GM-2020 K72. 7

Was versteht die Medizin unter einer hepatischen Enzephalopathie?

Die hepatische Enzephalopathie ist eine Funktionsstörung des zentralen Nervensystems, zu dem Gehirn und Rückenmark gezählt werden. Sie ist durch eine gravierende Lebererkrankung, wie beispielsweise eine fortgeschrittene Leberzirrhose mit eingeschränkter Funktion bedingt. Die Erkrankung tritt bei rund 30-45% der Patienten mit Leberzirrhose auf.
 

Welche Stadien der hepatischen Enzephalopathie gibt es?

Durch angeschwollene Nervenzellen, die sogenannten Astrozyten, verändert sich die Konzentration unterschiedlicher Botenstoffe im Gehirn. Dieser Prozess führt zu einer gestörten Kommunikation zwischen benachbarten Nervenzellen, was sich je nach Schweregrad in Form von neurologischen Auffälligkeiten beobachten lässt. Grundsätzlich unterscheidet die Medizin unter einer dauerhaften und episodischen Form. Außerdem lässt sich die hepatische Enzephalopathie in ein Vorstadium und vier Hauptstadien einteilen.
 
Patienten ohne klinischer Symptome, die jedoch erste kognitive Defizite mit milder Ausprägung aufweisen, fallen in die Kategorie des Vorstadiums. Meistens bemerken nur enge Angehörige, dass sich Betroffene verändern oder etwas nicht mit ihnen stimmt. Die minimale hepatische Enzephalopathie macht sich durch Konzentrationsschwierigkeiten, eine eingeschränkte Feinmotorik oder Wahrnehmung bemerkbar. Autofahren bereitet plötzlich Schwierigkeiten und ist deswegen auch besser zu unterlassen.
 
In dieser Phase der Erkrankung sind zwar noch keine neurologischen Ausfälle nachweisbar, jedoch können die Symptome mithilfe von psychometrischen Zahlentests oder Zeichenaufgaben dem Vorstadium einer hepatischen Enzephalopathie zugeordnet werden.
 
Im ersten Stadium fallen die Beschwerden zwar noch relativ mild aus, es zeigt sich jedoch bereits eine Abnahme der intellektuellen Leistungsfähigkeit. Einschränkungen in der Feinmotorik machen sich nicht selten durch deutlicher Änderung des Schriftbildes bemerkbar und es lässt sich ein beginnendes Zittern der Hände beobachten.
 
Ab dem zweiten Stadium lassen sich mithilfe einer Elektroenzephalografie (EEG) auch Veränderungen der Hirnströme aufzeichnen, die auf das Krankheitsbild einer hepatischen Enzephalopathie hindeuten. In dieser Phase kommt es zu einer Verstärkung der bisher aufgetretenen Symptome. Außerdem tritt eine deutliche Wesensveränderung, Desorientiertheit, Müdigkeit, Gedächtnisstörung, veränderte Mimik und ein grobes Zittern der Hände, ein sogenannter „Flapping Tremor“, auf.
 
Im dritten Stadium ist die Vergiftung bereits weit fortgeschritten und die Symptome gravierend. Orientierung und Bewusstsein nehmen weiterhin ab. Es kommt zu einer erhöhten Muskelspannung bis hin zur Muskelsteife, Inkontinenz, starker Schläfrigkeit und Gang- sowie Standunsicherheiten.
 
Das vierte Stadium ist durch Bewusstlosigkeit ohne Schmerzreaktion, die Phase des sogenannten Komas, gekennzeichnet.
 
Im Zuge eines akuten Leberversagens verlaufen die einzelnen Stadien meist sehr schnell und das hepatische Koma tritt innerhalb weniger Tage ein. Bei chronischem Leberversagen schreitet die hepatische Enzephalopathie nur langsam voran und es entstehen im Verlauf auch keine ausgeprägten Flüssigkeitseinlagerungen im Bereich des Gehirns. Besonders ältere Menschen neigen zu chronischen Krankheitsverläufen mit milden neuropsychiatrischen Symptomen und einzelnen akuten Phasen, in denen die Symptome stärker ausgeprägt sind.
 

Was sind die Symptome einer hepatischen Enzephalopathie?

Die hepatische Enzephalopathie macht sich vor allem durch eine verminderte “Hirnleistung”, beispielsweise in Form einer reduzierten Aufmerksamkeit oder einer gestörten Wahrnehmung, bemerkbar. Bewegungen werden schleppend und die Sprache oft verwaschen. Im Anfangsstadium treten geringgradige Veränderungen in der Persönlichkeit, dem Verhalten und im Bereich des logischen Denkens auf. Starke Stimmungsschwankungen, Konzentrationsschwierigkeiten, ein getrübtes Urteilsvermögen und Schlafstörungen sind keine Seltenheit. Die verminderte Gehirnfunktion zeigt sich ebenfalls oft in Form einer ausgeprägten Orientierungslosigkeit.
 
In fortgeschrittener Krankheitsphase kann der Betroffene die Hände bei ausgestreckten Armen nur schwer ruhig halten und sie neigen zu flatternden Bewegungen, dem sogenannten Flattertremor. Unwillkürliche, also nicht bewusst steuerbare, Muskelzuckungen sind ebenfalls häufig beobachtbar. Diese sogenannten Myoklonien können spontan auftreten oder durch einen Reiz, wie beispielsweise ein Geräusch oder Licht, ausgelöst werden.
 
Auch ein süßlicher Atemgeruch kann in jedem Stadium der Enzephalopathie auftreten.
 
Unbehandelt kann die Leberfunktion so weit abnehmen, dass ein Bewusstseinsverlust bis zum Koma möglich ist. Nicht selten führt das Krankheitsbild in diesem fortgeschrittenen Stadium trotz Behandlung zum Tod.

Welche Ursachen hat eine hepatische Enzephalopathie?

Im Rahmen der hepatischen Enzephalopathie kommt es zu typischen neurologisch-psychiatrischen Auffälligkeiten. Das Beschwerdebild lässt sich durch eine mangelhafte Ausscheidung des schädlichen Zellgifts Ammoniak aus dem Blut erklären. Substanzen, die normalerweise aus dem Darm in die Blutbahn resorbiert werden, müssen die Leber passieren, in der normalerweise schädliche Stoffe entfernt werden. Beim Großteil der Schadstoffe, wie beispielsweise Ammoniak, handelt es sich um normale Abbauprodukte der Proteinverdauung. Im Falle einer hepatischen Enzephalopathie im Gehirn führt dies zu einem erhöhten Druck und letztlich zu Flüssigkeitsansammlungen. Der hepatischen Enzephalopathie gehen oft fördernde Faktoren voraus, wie Infektionen, eine hohe Proteinzufuhr, Blutungen im Verdauungstrakt, ein Flüssigkeitsmangel oder die Einnahme sedierender Medikamente.

Wie diagnostiziert der Arzt eine hepatische Enzephalopathie?

Sogenannte psychometrische Tests können Hinweise für eine minimale hepatische Enzephalopathie liefern. Spezielle Papier-Bleistift-Tests, wie beispielsweise Zahlenverbindungstests oder Liniennachfahrtests, werden verwendet, um die Beschwerden kategorisieren zu können.
 

 
In späteren Stadien wird das Beschwerdebild klinisch mittels Labor, bildgebenden Verfahren und elektrophysiologischer Abklärung (EEG) diagnostiziert. Primär werden auf diesem Weg vor allem andere Ursachen, die für die neurologischen und stoffwechselbedingten Störungen verantwortlich sein könnten, ausgeschlossen.
 
Im Blut kann nach möglichen Auslösern der Enzephalopathie, wie beispielsweise Infektionen und Arzneimittel oder behandelbaren Störungen, wie Infektionen und Blutungen im Verdauungstrakt, gesucht werden.
 
Auch wenn Betroffene in der Regel auffällig hohe Ammoniakwerte im Blut aufweisen, hat ein hoher Ammoniakspiegel bei chronischer Lebererkrankung alleinig jedoch nur bedingt diagnostische Aussagekraft. Hohe Konzentrationswerte sind hinweisend für eine Fehlfunktion der Leber, es kann anhand des Ammoniakgehaltes aber weder ein Enzephalopathie-Stadium zugeordnet, noch eine Prognose gestellt werden.
 
Im Frühstadium kann es besonders bei älteren Menschen schwierig sein, eine hepatische Enzephalopathie zu erkennen, da die Erstsymptome, wie zum Beispiel leichte Verwirrtheit oder ein gestörtes Schlafmuster, oft auf eine Demenz hinweisen können.

Wie erfolgt die Behandlung einer hepatischen Enzephalopathie?

Die Therapie zielt vorwiegend auf eine Beseitigung von auslösenden Faktoren und eine Verringerung des Ammoniakanteils ab. Hierfür finden in erster Linie Medikamente und Diätmaßnahmen Anwendung. In schwerwiegenden Fällen kann eine intensivmedizinische Betreuung notwendig sein.
 
Im Rahmen einer Behandlung wird der Elektrolythaushalt wieder in ein Gleichgewicht gebracht und mögliche Mangelerscheinungen ausgeglichen. Um eine Senkung des Ammoniakspiegels im Blut zu erzielen, kann der Arzt Lactulose und ein schlecht resorbierbares Antibiotikum, wie zum Beispiel Rifaximin, Neomycin oder Metronidazol, verabreichen. Das Abführmittel Lactulose erleichtert nicht nur den Stuhlgang, sondern erzielt durch seinen bakteriellen Abbau im Darm auch eine saure Umgebung. Schädliches Ammoniak wird in Ammonium umgewandelt und es geraten deutlich geringere Mengen über den Darm in den Blutkreislauf. Begleitend finden zur Darmentleerung auch Spülungen und Einläufe Anwendung.
 
Auch körpereigene Darmbakterien begünstigen die Bildung von Ammoniak im Verdauungstrakt. Mithilfe von Antibiotika, die über den Mund eingenommen werden und nur im Darm wirken, lässt sich die Anzahl der ammoniakproduzierenden Bakterien reduzieren.
 
Im Falle einer chronischen hepatischen Enzephalopathie sind diätetische Maßnahmen einzuleiten. Hier solltest Du vor allem auf eine geringe Proteinzufuhr achten. Spezielle Nahrungsergänzungsmittel wie Ornithin-Aspartat oder Zink haben ebenfalls häufig positive Effekte auf das Zustandsbild. Im Endstadium kann eine Lebertransplantation zu einer Verbesserung  führen.
 

Wie ist die Prognose bei einer hepatischen Enzephalopathie?

Die hepatische Enzephalopathie ist eine potenziell reversible Funktionsstörung des Nervensystems, jedoch treten ohne konsequenter Rückfallprophylaxe die Episoden in vielen Fällen immer wieder auf. Weil auch die kognitive Schädigung mit jeder Episode zunimmt, solltest Du, gemeinsam mit Deinem behandelnden Arzt, auf eine langfristige Behandlung setzen.
 
Um wiederkehrende Episoden zu verhindern, solltest Du auf Alkohol und andere leberschädigende Stoffe weitestgehend verzichten. Auch die Einnahme bestimmter entwässernder Medikamente, wie Thiaziddiuretika, ist bestenfalls auszusetzen. Ebenfalls zeigen sich bestimmte Schlaf- und Beruhigungsmittel, wie Benzodiazepine, Enzephalopathie fördernd. Außerdem empfehlen viele Ärzte dringlich eine Hepatitis-A und B-Impfung. Begleitend achtest Du bestenfalls auch auf eine eiweißarme Ernährung, um Deine Leber nicht zusätzlich zu belasten.

Wie viel kostet die Behandlung einer hepatischen Enzephalopathie und übernimmt die Krankenkasse die Kosten?

Im Normalfall übernimmt der Krankenversicherungsträger alle notwendigen und zweckmäßigen Therapien. Prinzipiell rechnet Dein behandelnder Arzt direkt mit der Krankenkasse ab, bei einzelnen Sozialversicherungsträgern kann jedoch ein Selbstbehalt für Dich anfallen. Du kannst Dich auch von einem Wahlarzt  behandeln lassen. Bei bestimmten Behandlungen, wie beispielsweise einer physikalischen Therapie, kann eine Bewilligung durch Deinen Versicherungsträger notwendig sein. Auch bei bestimmten Sonderleistungen ist es möglich, dass eine Kostenbeteiligung des Patienten vorgesehen ist. Für Medikamente, die Dir auf „Kassenrezept“ verschrieben werden, fällt eine Rezeptgebühr an.