Akutes Atemnotsyndrom (ARDS)

Das akute Atemnotsyndrom, auch kurz als ARDS bezeichnet, ist eine fulminante und potenziell lebensbedrohliche Erkrankung der Lunge. Ausgelöst wird sie durch eine überschießende Immunreaktion, die wiederum selbst unterschiedliche Ursachen oder zugrundeliegende Erkrankungen haben kann. Das akute Atemnotsyndrom ist stets ein medizinischer Notfall, der intensivmedizinisch behandelt werden muss - trotz intensiver und multimodaler Behandlung, hat das akute Atemnotsyndrom je nach Schweregrad meist keine gute Prognose.


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Akutes Atemnotsyndrom (ARDS)

ICD-10-GM-2020 J80.

Was versteht die Medizin unter einem akuten Atemnotsyndrom (ARDS)?

Das akute Atemnotsyndrom – in der medizinischen Fachsprache häufiger als ARDS (acute respiratory distress syndrome) bezeichnet, ist eine Form des akuten Lungenversagens, das durch eine überschießenden Entzündungsreaktion der Lunge auf unterschiedliche Reize ausgelöst wird. Ein weiteres, häufig gebrauchtes Synonym ist der Begriff “Schocklunge”.
 

Wie sehen die Symptome eines akuten Atemnotsyndroms aus?

Das Hauptsymptom des akuten Atemnotsyndroms ist die erschwerte Atmung und Kurzatmigkeit, auch als Dyspnoe bezeichnet. Ein- und Ausatmung können weniger tief durchgeführt werden, dafür beschleunigt sich die Atemfrequenz immer weiter (Tachypnoe). Mit der mangelnden Fähigkeit suffizient zu atmen, geht eine zunehmende Unruhe und Panik einher.
 
Im weiteren Verlauf kommt es zur zunehmenden Erschöpfung – Betroffene nehmen eine typische gebückte Position ein, um die Atemmuskulatur zu aktivieren, aber auch darunter kommt es nur zur ungenügenden Sauerstoffversorgung, sodass eine allgemeine Ermüdung bis hin zur Zyanose (Blaufärbung der Haut und Schleimhäute) eintritt. Durch sich in der Lunge ansammelnde Flüssigkeit treten Rasselgeräusche auf, die anfangs nur mit dem Stethoskop, später auch mit freiem Ohr gehört werden können. Im fortgeschrittenen Stadium kann es durch die mangelnde Sauerstoffversorgung der inneren Organe und des Gehirns zum Multiorganversagen, Bewusstseinsverlust und Herzstillstand kommen.

Wie wird das akute Atemnotsyndrom diagnostiziert?

Die Diagnose ARDS ist oftmals gar nicht so eindeutig, da akute Atemnot ein eher unspezifisches Symptom ist, das auf mehrere Ursachen und auch auf unterschiedliche Organsysteme hinweisen kann. Dementsprechend wird die Diagnose nur dann gestellt, wenn die Ursache eine Lungenpathologie ist und andere Organe (beispielsweise das Herz) nicht ursächlich beteiligt sind. Eine solche Beteiligung des Herzens schließt der Arzt üblicherweise mittels Laboruntersuchung des Blutes, EKG und Herzultraschall aus.
 
Zu den aktuellen Kriterien für die Diagnose ARDS gehören zudem auch der akute Beginn, eine unzureichende Oxygenierung (Sauerstoffanreicherung) des Blutes und eindeutige Veränderungen im Lungenröntgenbild.

Welche Ursachen hat das ARDS?

Die Ursachen des akuten Lungenversagens sind vielfältig und können sowohl von der Lunge selbst, als auch von anderen Organen ausgehen (systemische Ursachen).
 
Die häufigste lungenspezifische Ursache ist die Lungenentzündung, des Weiteren können auch Unfälle (beispielsweise Lungenprellung) oder das Einatmen von unterschiedlichen schädigenden Stoffen (unter anderem auch im Rahmen einer Rauchgasvergiftung) zu einem ARDS führen. Auch eine Aspiration (das Einatmen von Flüssigkeit, beispielsweise von Wasser oder von Magensäure im Zuge eines Erbrechens oder einer Narkose) ist keine Seltenheit, diese begünstigt das Entstehen einer Lungenentzündung und wiederum eines ARDS.
 
Darüber hinaus gibt es eine Reihe an nicht-lungenspezifischen Erkrankungen und Zuständen, die eine Beteiligung der Lunge nach sich ziehen und damit die Entstehung eines akuten Atemnotsyndroms begünstigen. Dazu zählen fulminante Infektionen, die zur Blutvergiftung (Sepsis) führen, ein Schockgeschehen im Rahmen eines Herzstillstandes oder eines hohen Blutverlustes, hochgradige Verbrennungen, Entgleisungen des Säure-Basen-Haushaltes mit entweder Über- und Untersäuerung, Zustände nach schweren Unfällen mit mehreren Frakturen oder Schädel-Hirn-Trauma.
 
Unabhängig von der Ursache ist der Ablauf immer ein ähnlicher: Ausgelöst durch eine massive Beeinträchtigung des Organismus kommt es zur Entzündungsreaktion. Das Immunsystem reagiert auf den Reiz und bewirkt durch die Rekrutierung unterschiedlicher Immunzellen eine Erweiterung der Blutgefäße in der Lunge. Dadurch kommt es zum Austritt von Flüssigkeit aus den Gefäßen ins Lungengewebe und zum Lungenödem.
 

 
Das Lungenödem schränkt die Funktion der Alveolen (Lungenbläschen) stark ein und verhindert zudem die Entfaltungsmöglichkeit der Lunge. Atmung und Gasaustausch können dadurch nur noch eingeschränkt stattfinden, Atemnot und eine reduzierte Sauerstoffversorgung der Organe sind die Folge.

Wann sollte ich den Notarzt rufen?

Ein ARDS muss auf jeden Fall stationär in einem Krankenhaus (meist auf der Intensivstation) behandelt werden – die Alarmierung der Rettung ist demnach in jedem Fall notwendig. Wann dies geschieht ist von Fall zu Fall unterschiedlich, da auch die Symptomatik und der Verlauf nicht bei jeder Person gleich sind. Zunehmende Atemnot und Schwäche, die bis dato nicht bestanden, können ein erster Hinweis sein und sind abzuklären. Spätestens bei einer bläulichen Verfärbung von Haut und Schleimhäuten oder einem Bewusstseinsverlust sollte jemand unbedingt die Rettung verständigen.

Welche Erste-Hilfe-Maßnahmen soll ich bei ARDS einleiten?

Die wohl wichtigste Maßnahme ist die sofortige Verständigung des Notarztes und möglichst rasche Einlieferung ins Spital. Bis die Rettung eintrifft, ist es hilfreich die betroffene Person aufrecht und sitzend zu lagern, um die Arbeit der Atemmuskulatur zu unterstützen. Kommt es dennoch zum Kreislaufstillstand (fehlende Atmung und Puls) muss der Ersthelfer mit einer Reanimation beginnen.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei einem akuten Lungenversagen?

Eine gezielte Therapie, die das Lungenversagen selbst behandelt, gibt es nicht, vielmehr muss der Arzt die zugrundeliegende Ursache, die dieses erst hervorgerufen hat, bekämpfen. Mit rechtzeitiger Ausschaltung der Ursache und Unterstützung der Lungenfunktion bessert sich in der Regel auch der Zustand der Lunge.
 
Dennoch ist die Behandlung eines Lungenversagens hochkomplex, da in einem solchen schwierigen Zustand mehrere Organsysteme gleichzeitig betroffen sind und der Arzt diese  in der Therapie beachten muss. Eine Intubation und maschinelle, künstliche Beatmung mit Sauerstoff ist häufig ein wichtiger Schritt der Therapie, denn dadurch können die Intensivmediziner Atmung und Atemwege sichern und maschinell beeinflussen. Betroffene Patienten sind dabei in einen künstlichen Tiefschlaf versetzt, der mit sedierenden und schmerzlindernden Medikamenten aufrechterhalten wird. In diesem Zustand kann der Patient rund um die Uhr überwacht und bei Verschlechterung sofort eingegriffen werden.
 
Neben der Aufrechterhaltung weiterer Vitalparameter (Blutdruck und Puls) ist vor allem auch die Beherrschung der Entzündungsreaktion sehr wichtig. Liegt eine bakterielle Entzündung vor, muss eine antibiotische Therapie erfolgen, zudem kommen mit hoher Wahrscheinlichkeit antientzündliche Wirkstoffe (Cortisontherapie) zum Einsatz.

Wie ist die Prognose bei einem akuten Atemnotsyndrom?

Die Prognose ist häufig trotz intensivmedizinischer Behandlung keine gute. Vor allem bei schweren Formen verläuft die Behandlung zu 50% mit tödlichem Ausgang. Abhängig ist die Prognose vor allem von einem raschen und frühen Erkennen der Symptome und dem rechtzeitigen Einleiten notwendiger Therapien.
 

Übernimmt die Krankenkasse die Kosten für die Behandlung von ARDS?

Ja! Denn bei einem ARDS handelt es sich um einen medizinischen, lebensbedrohlichen Notfall, der sofortige intensivmedizinische Betreuung benötigt.