Mehr als 10.000 Kinder kommen jährlich in Deutschland mit alkoholbedingten Folgeschäden zur Welt. Das Tragische an dieser Statistik ist, dass sich die sogenannte Fetale Alkoholspektrumstörung (FASD) zu 100 Prozent vermeiden lässt, wenn Frauen während der Schwangerschaft auf Alkohol verzichten. Tatsächlich verzichten aber nur wenige Schwangere in dieser Zeit komplett auf Alkohol. Vermutlich wissen viele Frauen gar nicht, dass Alkohol bereits in kleinen Mengen für ihr ungeborenes Kind schädigend sein kann.
Die Folgen der Erkrankung sind schwerwiegend. Geistige, seelische und körperliche Behinderungen, Herzfehler, Wachstums- und Sprachstörungen, Hyperaktivität sowie auffällige körperliche Merkmale wie ein dünner Körperbau, kleine, schielende Augen oder ein geringer Kopfumfang sind nur einige von vielen FAS-Langzeitschäden.
Studien belegen, dass rund 80 Prozent der betroffenen Kinder nicht in der Lage sein werden, ein eigenverantwortliches und selbstständiges Leben zu führen. Bei vielen alltäglichen Dingen sind sie später auf fremde Hilfe angewiesen.
FASD entsteht, wenn die Mutter während ihrer Schwangerschaft alkoholische Getränke konsumiert. Der Alkohol gelangt über die Nabelschnur, über die die Mutter das Kind mit ihrem Blut versorgt, zum Baby und in dessen Blutkreislauf. Im Gegensatz zur Mutter baut das Ungeborene den Alkohol jedoch nicht so schnell ab, mit schwerwiegenden Folgen. Das Zellgift kann schon in kleinen Mengen das Organwachstum beeinträchtigen und das Nervensystem des Kindes schädigen.
So wirkt sich die Fetale Alkoholspektrumstörung konkret aus:
Da bislang nicht belegt ist, ab welcher Alkohol-Menge eine Schwangere ihrem ungeborenen Kind schadet, raten Ärztinnen und Ärzte grundsätzlich, ab dem Zeitpunkt, ab dem eine Frau die Schwangerschaft bei sich vermutet, vollständig auf den Konsum von Alkohol zu verzichten.
Ein erwachsener Mensch ist in der Lage, das Zellgift relativ schnell wieder abzubauen. Die Leber eines Ungeborenen kann das jedoch noch nicht. Wie erwähnt, beeinflusst der Alkohol, den die Mutter aufgenommen hat, die Entwicklung aller Organe, vor allem die des Gehirns des Babys. In der Folge kann es zu Fehlbildungen sowie Störungen des Wachstums und des zentralen Nervensystems kommen. Die Medizin unterscheidet vier verschiedene Schweregrade der FASD, die durch unterschiedliche Symptome gekennzeichnet sind:
Um die FASD-Varianten ARBD und ARND diagnostizieren zu können, muss bestätigt sein, dass die Mutter während der Schwangerschaft alkoholische Getränke konsumiert hat. Ein PFAS oder FAS können Ärztinnen und Ärzte auch dann feststellen, wenn sie die Trinkgewohnheiten der Mutter nicht kennen.
Vor allem kleine Kinder weisen neben den bereits erwähnten Symptomen deutliche Veränderungen im Gesicht auf. Typischerweise zeigt sich das Fetale Alkoholsyndrom durch eine sehr schmal ausgebildete Oberlippe. Darüber hinaus kann die Lidspalte verkürzt sein. In einigen Fällen ist das Philtrum – die vertikale Furche zwischen Oberlippe und Nase – nur schwach oder nicht ausgeprägt.
Daneben weisen betroffene Kinder weitere körperliche Auffälligkeiten auf. So sind viele FASD-Babys bei der Geburt deutlich leichter und kleiner als andere Kinder. Dies ändert sich auch in den Folgejahren kaum. Zudem ist ihr Gehirn meist kleiner als das anderer Babys. Der Austausch von Informationen zwischen den Hirnarealen ist häufig gestört, was sich später durch Schwierigkeiten beim Lesen und Rechnen oder auch durch Wahrnehmungsstörungen und eine beeinträchtigte Feinmotorik äußert.
Schätzungen zufolge erhielt die Mehrzahl der an FASD erkrankten Kinder bis heute keine oder eine falsche Diagnose. So ähneln die Symptome beispielsweise denen des Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsyndroms (ADHS). Das ist darauf zurückzuführen, dass viele schwangere Frauen entweder nicht auf ihren Alkoholkonsum angesprochen werden oder diesen aus Sorge vor Stigmatisierung verschweigen.
Für die betroffenen Kinder ist dies mehr als fatal. Die Schäden des Gehirns, die der Alkoholkonsum der Mutter verursacht hat, sind irreparabel. Um die Auswirkungen dieser Schäden zu minimieren, ist es umso wichtiger, frühzeitig gezielte Fördermaßnahmen zu ergreifen. Die Entwicklung von Kindern, die unter FASD leiden, erfolgt meist deutlich später. Deshalb ist eine intensive Frühförderung bis zu diesem Zeitpunkt ratsam.
Für Mütter mit FASD-Kindern ist die kinderärztliche Praxis die erste Anlaufstelle. Schwangere, die Probleme damit haben, während der Schwangerschaft auf Alkohol zu verzichten, können sich ebenfalls von dem Arzt oder der Ärztin ihres Vertrauens beraten lassen, um gemeinsam eine gute Lösung zu finden.
Die Abkürzung FASD steht für „Fetal Alcohol Spectrum Disorders“, zu deutsch: Fetale Alkoholspektrumstörung. Sie fasst die möglichen Schädigungen des Babys zusammen, die dem Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft geschuldet sind.
AUTOR
Dr. med. Benjamin Gehl
Medizinischer Experte
CO-AUTOR
Maja Lechthaler
Online-Redaktion
Dieser Text wurde nach höchsten wissenschaftlichen Standards verfasst und von Medizinern geprüft.
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