Alkohol während der Schwangerschaft?

Spätestens ab dem Zeitpunkt einer Schwangerschaft gilt die Regel „Finger weg vom Alkohol!“ — Doch besonders in der Anfangsphase einer Schwangerschaft kann es sein, dass werdende Mütter Alkohol trinken, weil sie noch gar nicht wissen, dass sie schwanger sind. In Deutschland kommen jährlich etwa 10.000 Kinder mit Alkoholschäden auf die Welt, bei rund 2000 Säuglingen kommt es zu schweren Entwicklungseinschränkungen. Experten schätzen die tatsächliche Dunkelziffer sogar noch höher. Ab wann sollte man lieber auf Alkohol verzichten und was gilt es zu beachten? Schadet ein gelegentliches Gläschen Wein wirklich der Entwicklung des Kindes? Welche Menge ist tatsächlich schädlich und welche Schäden können überhaupt entstehen? Wir von MOOCI haben uns für die Gesundheit Deines Kindes mit diesen und weiteren Fragen auseinandersetzt und das Wichtigste für Dich zusammengefasst, um Dir die Schwangerschaft ein wenig zu erleichtern.


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Medizinische Expertin

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Online-Redaktion


Zuletzt aktualisiert: 29. September, 2020

Wie wirkt sich Alkohol auf die Entwicklung des Embryos aus?

Trinkt eine schwangere Frau Alkohol, gelangt dieser in ihre Blutbahn und über die Plazenta und Nabelschnur zu dem heranwachsenden Kind im Mutterleib. Dieses ist dabei demselben Blutalkoholspiegel ausgesetzt wie die werdende Mutter. Das Kind “trinkt” also immer mit.
 
Da die Leber des Kindes sich erst noch entwickeln muss, kann es Alkohol nur äußerst langsam abbauen. Dieser hält sich dadurch länger im Blutkreislauf des Kindes und wirkt somit auch länger auf die embryonalen Zellen ein. Selbst wenn der Fötus einen Teil des Alkohols über die Nieren ausscheiden sollte, könnte es passieren, dass er diesen erneut über das Fruchtwasser aufnimmt.
 
Alkohol und die Nebenprodukte, die während des Abbaus entstehen, wirken wie ein “Nervengift” auf den menschlichen Körper und beeinträchtigen das Wachstum der Zellen. Die kindlichen Zellen befinden sich noch in der Entwicklung, sodass der toxische Einfluss weitaus größer ist als bei einem Erwachsenen: Das Gewebe des Kindes entwickelt sich fehlerhaft oder nicht ausreichend.
 
Trinkt eine schwangere Frau Alkohol, gelangt dieser in ihre Blutbahn und über die Plazenta und Nabelschnur zu dem heranwachsenden Kind im Mutterleib

Welche bleibenden Schäden können durch Alkohol verursacht werden?

Bei regelmäßigem oder übermäßigem Alkoholkonsum während der Schwangerschaft können motorische Störungen, Verhaltens- und Lernstörungen sowie körperliche Missbildungen entstehen. Die Auswirkungen reichen dabei von der Geburt bis ins Jugend- und späte Erwachsenenalter an.
 
In besonders schweren Fällen tritt eine Kombination aus körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen auf. Dies wird als FAS (Fetales Alkoholsyndrom) oder auch Alkohol-Embryopathie bezeichnet. FAS umfasst Organschäden, körperliche Fehlbildungen wie Kleinwüchsigkeit und massive Verhaltensstörungen. Eine spezielle Form von FAS sind Fetale Alkoholeffekte (FAE). Sie betreffen hauptsächlich Fehlentwicklungen des Nervensystems und Gehirns, zum Beispiel verminderte Intelligenz, Einschränkungen der geistigen Entwicklung und Verhaltensauffälligkeiten.
 
Der Begriff “Fetal Alcohol Spectrum Disorder” (FASD) ist ein Überbegriff, der alle Formen der Alkoholschädigungen beinhaltet. Er weist darauf hin, dass Alkohol zu einem Syndrom mit unterschiedlichen Ausprägungen führen kann.

Kinderwunsch: Muss ich sofort auf den Alkoholkonsum verzichten?

Besteht ein Kinderwunsch, musst Du nicht sofort auf Alkohol verzichten, allerdings solltest Du versuchen, Deinen Konsum weitgehend einzuschränken, um mögliche Risiken zu vermeiden.
 
Um die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft zu erhöhen, ist es sogar sinnvoll, wenn beide Partner Alkohol meiden. Bei Frauen können zu viel Alkohol und dadurch bedingte Leberschäden zu Störungen der Sexualhormone, der Eireifung und des Monatszyklus bis hin zu einer völlig ausbleibenden Periode oder sogar einer eingeschränkten Fruchtbarkeit führen. Exzessiver Alkohol bei Männern wirkt sich auf die Zeugungsfähigkeit, insbesondere auf die Spermienqualität, aus. Auch “Performance-Probleme” können auftreten.

Ab wann wirkt sich Alkohol auf das ungeborene Baby aus?

Sobald Du eine Schwangerschaft vermutest, solltest Du möglichst sofort auf Alkohol verzichten. Wurde in der Anfangsphase versehentlich eine geringe Menge Alkohol getrunken, weil Du noch nichts von Deiner Schwangerschaft wusstest, hat dies gewöhnlich noch keine schweren Folgen für die Kindesentwicklung.
 
Mediziner sprechen in diesem Anfangsstadium häufig von einem Alles-oder-Nichts-Prinzip: Der Embryo wird entweder gar nicht beeinträchtigt oder so stark geschädigt, dass eine Fehlgeburt folgt.
 
In den ersten zwei bis drei Wochen nach der Befruchtung sind die embryonalen Zellen relativ widerstandsfähig gegenüber äußeren Einflüssen. Sie sind zu diesem Zeitpunkt pluripotent; das bedeutet, dass jede Zelle jede Funktion übernehmen kann. Wird eine Zelle zerstört, kann eine andere Zelle sie ersetzen. Sind die Zellen jedoch zu stark geschädigt, entwickeln sich diese normalerweise nicht weiter und es kommt zu einer Fehlgeburt, die oftmals erst gar nicht bemerkt wird.
 
Ab der vierten und fünften Schwangerschaftswoche, in der die Organbildung abläuft, reagiert der Embryo deutlich empfindlicher auf äußere Störungen. Übrigens spricht man in Fachkreisen erst ab dieser Zeitphase von einem “Embryo”. Umgangssprachlich – ebenso in diesem Beitrag – wird der Begriff gern auch für die Zeit davor genutzt.
 
Je nachdem, in welchem Entwicklungsstadium sich Dein Kind gerade befindet, treten unterschiedliche Formen von alkoholbedingten Schädigungen auf. Während der ersten drei Monate verursacht Alkohol eher körperliche Schäden. Das Risiko von Missbildungen, Komplikationen im Schwangerschaftsverlauf und Fehlgeburten steigt erheblich an.
 
Danach wirkt sich übermäßiger Alkohol besonders auf die geistige Entwicklung des Kindes und das Wachstum aus.
 
Sobald Du eine Schwangerschaft vermutest, solltest Du möglichst sofort auf Alkohol verzichten

Schadet ab und zu ein Glas Wein dem ungeborenen Baby?

Da jeder Mensch Alkohol unterschiedlich schnell abbaut, ist es nicht möglich, eine “sichere” Grenze festzulegen. Hinzu kommt, dass das Kind Alkohol grundsätzlich langsamer und schlechter verwerten kann als die Mutter.
 
Regelmäßiger Alkoholkonsum und hochprozentige alkoholische Getränke sind während der gesamten Schwangerschaft um jeden Preis zu vermeiden, allerdings können auch schon geringe Mengen Schäden verursachen. Bei Personen, die eher empfindlich auf Alkohol reagieren, reichen vermutlich bereits winzige Alkoholmengen aus, um schwerwiegende Entwicklungsschäden und Anzeichen von FAS zu verursachen.
 
Fällt der Verzicht auf Alkoholkonsum besonders schwer, können Schwangere gelegentlich zu alkoholfreien Varianten greifen, jedoch ist hier der sogenannte Restalkohol zu beachten
 
Unser Tipp: Ein Radler lässt sich mit einem Mix aus Limonade und alkoholfreiem Bier vortäuschen. Mittlerweile kannst Du online auch zahlreiche Rezepte für Cocktails ganz ohne Alkoholzusatz finden, mit denen Du Dir den Alkoholverzicht etwas angenehmer gestalten kannst.

Bedeutet „alkoholfrei“ auch wirklich frei von Alkohol?

Um auf den sozialen Aspekt von Alkohol nicht komplett verzichten zu müssen, greifen schwangere Frauen zu besonderen Anlässen gerne zu alkoholfreien Getränken.
 
Doch auch hier ist während der Schwangerschaft Vorsicht geboten, denn “alkoholfrei” heißt nicht gleich “frei von Alkohol”. Die Bezeichnung bedeutet lediglich, dass ein Getränk nicht mehr als 0,5% Vol. enthalten darf. Die Getränke enthalten also noch sogenannten Restalkohol. Die Menge an Restalkohol kann dabei von Getränk zu Getränk schwanken.
 
Übrigens tritt (natürlicher) Alkohol in sehr geringen Mengen auch in anderen Lebensmitteln und Getränken auf. Dazu gehören zum Beispiel fermentierte Lebensmittel oder besonders zuckerreiche Früchte. Apfel- und Traubensaft können sogar auf einen Alkoholgehalt von 1%Vol. kommen. Lebensmittelhändler müssen nach europäischem Lebensmittelrecht einen Alkoholgehalt von unter 1,2%Vol. bei Getränken nicht explizit angeben.
 
Möchtest Du ganz sichergehen, kannst Du auf Getränke mit dem Hinweis “ohne Alkohol” zurückgreifen. Diese Bezeichnung darf nur vergeben werden, wenn nachweislich ein Alkoholgehalt von 0%Vol. vorliegt.

Darf man während des Stillens Alkohol trinken?

Alkohol ist auch während der Stillzeit nicht zu empfehlen. Untersuchungen zeigen nämlich, dass der Alkohol aus dem Blut der Mutter direkt in die Muttermilch übergeht. Die Alkoholkonzentrationen sind sogar annähernd gleich hoch.
 
Die noch nicht voll entwickelte Leber von Neugeborenen baut Alkohol nur sehr langsam ab, wodurch sich rauschähnliche Zustände, ein verlangsamter Such-, Saug- und Schluckreflex sowie ein gestörtes Schlafverhalten mit leichterem Schlaf und kurzen Schlafphasen einstellen können.
 
Lässt sich das Trinken von Alkohol nicht vermeiden, empfiehlt es sich vorher zu stillen bzw. das Baby später mit abgepumpter Milch zu füttern. Bevor Du erneut stillst, solltest Du unbedingt eine ausreichende Pause einplanen.
 
Alkohol ist auch während der Stillzeit nicht zu empfehlen. Untersuchungen zeigen nämlich, dass der Alkohol aus dem Blut der Mutter direkt in die Muttermilch übergeht

Lassen sich die lebenslangen Schäden behandeln?

Die durch Alkohol während der Schwangerschaft verursachten Schäden verfolgen die Betroffenen teilweise ein Leben lang.
 
Eine Behandlung von FAS und FASD fokussiert sich eher auf die kognitiven und psychischen Folgen und soll Betroffenen dabei helfen, besser mit den Schäden zurechtzukommen. Gegen eingeschränkte soziale Fähigkeiten können etwa eine psychotherapeutische Betreuung oder Verhaltenstherapien helfen. In manchen Fällen lassen sich Intelligenzentwicklungsstörungen durch eine spezielle Lernunterstützung ein wenig kompensieren.
 
Körperliche Entwicklungsstörungen lassen sich nur bedingt behandeln. Prothesen, Physiotherapie oder Hilfsmittel wie Hörgeräte können einige körperliche Fehlbildungen ausgleichen. Auch operative Eingriffe, etwa eine Gaumenspaltenkorrektur, sind möglich.

“Geteiltes Leid ist halbes Leid”

Der vorübergehende Abschied von Alkohol während der Schwangerschaft erscheint zwar schwierig, zahlt sich aber zu jeder Phase der Schwangerschaft für die Entwicklung Deines Kindes aus!
 
Stellt der Verzicht eine besonders große Herausforderung dar, solltest Du Dir die Unterstützung Deines Partners einholen. Sich der neuen Hürde gemeinsam zu stellen, kann die Zeit deutlich erleichtern und Euch noch näher zusammenschweißen. Als Ersatz für alte Gewohnheiten könnt Ihr neue Rituale einführen, um Euch die Zeit zu versüßen: etwa einen regelmäßigen Kinobesuch, ein gemeinsames Bad oder einfach einen kurzen Spaziergang an der frischen Luft.


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