Kieferbruch

Ein Kieferbruch stellt in den meisten Fällen eine schwerwiegende und folgenreiche Verletzung dar, die hauptsächlich im Rahmen schwerer Unfälle oder Sportverletzungen geschieht. Allerdings befinden sich innerhalb der Kieferknochen auch dünnere, instabilere Abschnitte, die selbst durch einen leichteren Schlag ins Gesicht oder ungeschickte Stürze Frakturen davontragen. Hier erfährst Du mehr über Frakturarten, Symptome, Behandlung und Nachsorge solcher Verletzungen.


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Inhaltsverzeichnis

Kieferbruch

Was versteht die Medizin unter einem Kieferbruch?

Unter dem Begriff “Kieferbruch” versteht der Spezialist eine Knochenfraktur, die entweder den Unterkiefer oder den Oberkiefer betreffen kann und in der Regel traumatische Ursachen hat. Während der Unterkiefer den einzigen – über das Kiefergelenk – beweglichen Teil des Gesichts- und Schädelskeletts darstellt, ist der Oberkieferknochen fest mit den anderen Gesichts- und Schädelknochen verbunden, umfasst knöcherne Teile der Augenhöhle und bildet die Verankerung der oberen Zahnreihe und der Nasenknorpel. Je nach Bruchlinie und betroffenen Segment der Knochen gibt es in der Medizin unterschiedliche Einteilungen der Frakturen.

Im Bereich des Unterkiefers ist am häufigsten der Gelenkfortsatz betroffen, da es sich dabei um die anatomisch schwächste und dünnste Struktur handelt und dabei eine Art Sollbruchstelle darstellt. Abgesehen davon unterscheidet man bei der Lokalisation der Unterkieferfraktur einen Bruch außerhalb der Zahnreihen und einen mit Beteiligung der Zähne. Eine Oberkieferfraktur zählt zu den Mittelgesichtsfrakturen, die in der Le-Fort-Klassifikation (I-III) unterteilt werden, wobei Klasse III-Frakturen neben dem Oberkiefer auch andere Gesichtsknochen betreffen und hier auch die Schwere der Verletzung und die möglichen Begleiterscheinungen (Instabilität der Augenhöhle, Bewegungsstörungen der Augen und Sehstörungen, Gefahr der direkten Verletzung von Hirnstrukturen,… ) besonders ausgeprägt sind.

Welche Symptome hat ein Kieferbruch?

Grundsätzlich können die Symptome eines Kieferbruchs sehr offensichtlich, also klinisch eindeutig, sein – so zum Beispiel bei offenen Brüchen mit sichtbaren Knochenteilen und -fragmenten, offensichtlichen Dislokationen (Verschiebungen der Knochenteile, die zu Formveränderungen und sichtbaren Fehlstellungen des Unterkiefers oder des Gesichts führen) oder ausgeprägten Störungen des Kieferschlusses. In anderen Fällen besteht nach mechanischer Einwirkung und Symptomen wie Schmerzen im Kiefer- und Gesichtsbereich, Schwellungen, Blutungen, Sensibilitätsstörungen und Taubheitsgefühl sowie Bewegungseinschränkungen der Verdacht auf einen Kieferbruch, der allerdings nur radiologisch sicher bestätigt werden kann.

Weitere Symptome können je nach Ausprägung und Frakturtyp auftreten, so lassen sich beispielsweise bei Beteiligung der Orbita (Augenhöhle) Bewegungsstörungen der Augen, Sehstörungen, brillenförmige Hämatome oder Tränenabflussstörungen feststellen. Bei ausgeprägter Verletzung des knöchernen Nasenanteils und Schädigung der Riechnerven ist außerdem ein Verlust des Geruchsinns möglich. Kieferfrakturen im zähnetragenden Segment (Alveolen) können hingegen eine Lockerung oder einen Ausfall von Zähnen zur Folge haben.

Wie wird der Kieferbruch diagnostiziert?

Die Diagnostik besteht klassischerweise aus Anamnese (Patientengespräch), Inspektion (Blickbefund), Palpation (Tastbefund) und radiologischem Nachweis. Soweit der Patient ansprechbar ist, ist aus der Anamnese meist ein erhebliches Trauma mit Gewalteinwirkung ableitbar. Die weitere Diagnostik muss meist unter Schmerzmedikation oder sogar Sedierung durchgeführt werden. Bei der Inspektion fallen, wie beschrieben, oftmals Verlagerungen der Kauflächen, eindeutige offene Brüche, Blutungen oder Verformungen des Gesichts auf. Gerade bei Oberkieferfrakturen ist eine Beurteilung durch Inspektion meist aufgrund ausgedehnter Schwellungen stark eingeschränkt, sodass eine sichere Diagnosestellung nur im Rahmen einer Computertomografie erfolgen kann.
Da vor allem der Oberkieferbruch neurologische Folgeschäden verursachen kann, wird der Arzt zusätzlich eine umfassende Untersuchung des Gehirns und der peripheren Nerven durchführen.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Da eine Kieferfraktur meist im Rahmen eines Traumas (Sportverletzung, Verkehrsunfall, Schlag ins Gesicht oder auf den Unterkiefer,…) und daher häufig begleitende, teils auch akut lebensbedrohliche Verletzungen diagnostiziert werden, steht die Sicherung der Vitalfunktionen und Aufrechterhaltung des Kreislaufes im Mittelpunkt. Erst bei stabilen Patienten wird eine zielgerichtete Behandlung der Kieferfraktur stattfinden. Die Wahl des therapeutischen Verfahrens richtet sich nach dem Frakturtyp, nach Schwere möglicher Begleitverletzungen und Zustand des Patienten, nach genauer Lokalisation der Fraktur und nach Compliance und Wunsch des Patienten. Die Versorgung der Fraktur kann sowohl konservativ (=nicht-operativ) als auch chirurgisch erfolgen:

Konservative Behandlung

Bei nicht verschobenen Brüchen ist die Durchführung einer konservativen Therapie mittels Fixierung und Ruhigstellung möglich. Dabei kommen Drahtschienenverbände zur Anwendung, die über die untere Zahnreihe gespannt werden und dadurch eine Stabilisierung des Knochens bewirken. Vorteil dieser Methode ist die einfache und schnelle Durchführung und Verfügbarkeit, allerdings sind die Patienten meist über Wochen hinweg im Sprechen, in der Zahn- und Mundpflege und in der Nahrungsaufnahme eingeschränkt.

Chirurgische Behandlung

Bei verschobenen Frakturen steht die Reposition der gebrochenen Knochenteile im Vordergrund, diese werden operativ und unter Sicht mittels Verplattung wieder fixiert. Ist die Bruchlinie direkt am Gelenkköpfchen des Unterkiefers, wird über die Mundhöhle eine Verschraubung (je nach genauer Lage eventuell auch eine Metallverplattung) durchgeführt. Die einzelnen Operationstechniken unterscheiden sich vor allem in der Verwendung unterschiedlicher Materialien und Zugangswege. Die Behandlung zielt stets darauf ab, die Kontinuität des Knochen sowie die Ästhetik der darüberliegenden Weichteile wiederherzustellen und einen gleichmäßigen Zahnschluss zu ermöglichen.

Neuere Verfahren arbeiten – wenn verfügbar – mit bioresorbierbaren Materialien, die einen zweiten Eingriff zur Entfernung der Metallteile vermeiden.

Wann muss eine Operation durchgeführt werden?

Der Großteil der Kieferbrüche wird operativ versorgt. Das chirurgische Vorgehen erleichtert nicht nur die genaue Reposition, Anpassung und Fixierung der Knochenteile, sondern ermöglicht auch gleichzeitig eine ästhetische Versorgung möglicher zusätzlicher Weichteildefekte oder Verletzungen von Zähnen und Zahnfleisch. Die operative Versorgung hat außerdem den Vorteil, dass der Kiefer weniger lang geschont und entlastet werden muss. Vor allem bei Frakturen des Gelenkfortsatzes des Unterkiefers ist eine rasche Wiederherstellung der Beweglichkeit notwendig, um Versteifungen des Gelenks zu verhindern.

Welche Komplikationen können bei der Behandlung eines Kieferbruchs auftreten?

Komplikationen können sowohl durch unzureichende Diagnostik und damit einhergehende Planungsdefizite, als auch durch ungenaue Reposition der Knochenteile oder schlechte und unpassende Materialwahl auftreten. Dadurch kann es zu bleibenden Deformationen und zu einem unsymmetrischen Kieferschluss kommen. Vor allem bei der chirurgischen Sanierung von Oberkieferfrakturen, bei denen meist kein Zugang über die Mundhöhle möglich ist, besteht die Gefahr von Nervenverletzungen und bleibendem Verlust von Sensibilität gewisser Hautareale. Bei offenen Frakturen im Gesichtsbereich oder durch begleitend auftretende Weichteildefekte besteht vor allem die Gefahr des Eintritts von Keimen, die zu Infektionen und ausgeprägten Entzündungen führen. Auch Zähne gelten als beliebte Eintrittspforten, weshalb es bei Frakturen des Unterkiefers notwendig ist, den Zustand der Zähne in den Behandlungsplan einfließen zu lassen und diese nur bei direkter Schädigung zu entfernen.

Standardmäßig erfolgt daher während der Operation eine prophylaktische Gabe eines Antibiotikums. Eine genaue Beobachtung und regelmäßige Kontrolle der Wunde ist dennoch von Vorteil. Die Wahl des richtigen und passenden Verplattungsmaterials ist von höchster Bedeutung, da ein fehlerhaftes Anbringen und unzureichender Halt zu Lockerungen, Verschiebungen, Plattenbrüchen oder Pseudoarthrose (mangelhafte Verknöcherung) mit Entzündungserscheinungen und Schmerzen führen können.

Was muss ich nach der Operation beachten?

Je nach Art und Schwere der Verletzung und Komplexität der Operation muss eine Ruhigstellung und Schonung unbedingt eingehalten werden. Meist sind über einen gewissen Zeitraum hinweg nur eingeschränkte Bewegungen möglich, weshalb in den ersten Tagen nach der Operation auf weiche Kost ausgewichen werden muss. Nach ca. 10-14 Tagen können etwaige Hautnähte entfernt werden, regelmäßige Kontrollen sind vor allem in den ersten 4 Wochen unbedingt einzuhalten. Bei Behandlung mittels Metall- oder Titanplatten ist nach einigen Monaten meist eine Folgeoperation notwendig, bei der diese wieder entfernt werden.

Wie lange dauert die Heilung?

Die Erholungsdauer ist in erster Linie abhängig von der Schwere der Verletzung und dem Zustand des Patienten. Durchschnittlich ist eine Schonung und Krankschreibung von 2-4 Wochen angeraten, nach ungefähr 4-6 Wochen können wieder feste Speisen aufgenommen werden. Eine endgültige Knochenheilung dauert in der Regel ungefähr 6-12 Monate, bis dahin kann die Belastbarkeit durchaus eingeschränkt sein.

Werden die Kosten von der Krankenkasse übernommen?

Da es sich um eine medizinisch notwendige und meist sogar akut durchzuführende Operation handelt, werden die Kosten von der Krankenkasse übernommen. Für die Leistungen muss nur aufgekommen werden, wenn der Patient den Eingriff in einem Privatspital durchführen lassen möchte.