Wachkoma (Apallisches Syndrom)

Das Wachkoma, auch apallisches Syndrom genannt, unterliegt einer komplexen Verletzung des Gehirns. Diese verursacht, dass sich der Betroffene in einem Zustand zwischen der tiefen Bewusstlosigkeit (Koma) und dem Wachsein befindet. Ein Wachkoma schließt sich oft an den Zustand eines Komas an. Für manchen Patienten ist ein Wachkoma ein Durchgangsstadium auf dem Wege der Besserung, andere verweilen in diesem Zustand jedoch jahrelang und sind auf entsprechende Hilfe und Pflege angewiesen. Was genau ein Wachkoma beziehungsweise ein apallisches Syndrom ist, welche Symptome typisch sind und welche Möglichkeiten der Behandlung es gibt, erfährst Du im nachstehenden Beitrag.


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Inhaltsverzeichnis

Wachkoma (Apallisches Syndrom)

ICD-10-GM-2020 G93.80
 

Was versteht die Medizin unter einem apallischen Syndrom?

Ein apallisches Syndrom, auch Wachkoma oder vegetativer Zustand genannt, ist eine Form des Komas, in dem der Betroffene bestimmte Reflexe und Bewegungen zeigt, aber dennoch nicht bei Bewusstsein ist – er ist in einem Zustand zwischen der tiefen Bewusstlosigkeit (Koma) und dem Wachsein. Ein apallisches Syndrom ist eines der schwersten neurologischen Krankheitsbilder.
 
Der Begriff „Koma“ stammt aus dem Griechischem und bedeutet „tiefer Schlaf“. Aus medizinischer Sicht wird ein Koma mit der Bewusstlosigkeit gleichgestellt, die im akuten Fall so tief ist, dass der Betroffene sogar bei starken Schmerzen nicht aufwacht. Ein Wachkoma schließt sich oft an den Zustand eines Komas an.
 
Ein Patient im Wachkoma verfügt über einen erschöpfungs- und tageszeitbedingten Schlaf-Wach-Rhythmus. Während des „Wachseins“ sind seine Augen geöffnet, der Blick läuft anfänglich jedoch oft ins Leere, denn die Augen fixieren nicht. In der Regel brauchen Wachkoma-Patienten keine lebenserhaltenden Apparate, denn ihre Atmung ist spontan und ihre Herz-Kreislaufaktivität konstant. Obwohl sie „wach“ erscheinen, sind sie nicht fähig in Kontakt mit ihrer Umwelt zu treten, obwohl sie teilweise emotionale und körperliche (vegetative) Reaktionen zeigen. Hierbei handelt es sich aber viel mehr um Reflexe oder unkontrollierte Bewegungen als um bewusste Handlungen.
 
Jedes Jahr geraten ungefähr 150 Menschen in Österreich in ein Wachkoma. Insgesamt gibt es gegenwärtig 600 bis 800 Betroffene. Hierbei sind allerdings Personen nicht eingerechnet, die sich im Zustand des minimalen Bewusstseins (MCS Minimally Conscious State) befinden. Diese Patienten zeigen zwar minimale Zeichen von bewusster Wahrnehmung, sind aber trotzdem vollständig auf fremde Hilfe angewiesen.
 
Die Grenzen zwischen einem Wachkoma und dem sogenannten minimalem Bewusstseinszustand sind oft fließend. Für manche Patienten ist ein Wachkoma ein Durchgangsstadium auf dem Wege der Besserung, andere verweilen mit entsprechender Pflege viele Jahren in diesem Zustand.

Wie erfolgt die Klassifikation des apallischen Syndroms?

Wir unterscheiden vier Komastufen, die von der Tiefe des Komas abhängen. Durch Reaktionen auf Reizangebote und Stimulationen bestimmen Ärzte die Tiefe des Komas beziehungsweise den Grad des Aufwachens aus der tiefen Bewusstlosigkeit.
 
Bei einem leichten Koma, Stufe I reagiert der Patient auf schmerzhafte Reize noch mit gezielten Abwehrbewegungen und seine Pupillen ziehen sich bei einem Lichtreiz zusammen. Befindet sich der Betroffene im leichten Koma, Stufe II, so wehrt er die Schmerzreize nur noch ungezielt ab, der Pupillenreflex funktioniert jedoch auch weiterhin.
 
Im tiefen Koma, Stufe III zeigt der Patient keine Schmerzabwehrreaktionen mehr, es kommen nur ungezielte Bewegungen zum Vorschein, die Reaktion der Pupillen funktioniert nun nur noch schwach. Bei einem tiefen Koma, Stufe IV zeigt der Betroffene keine Schmerzreaktionen mehr und seine Pupillen sind geweitet und reagieren auf Lichteinfall gar nicht mehr.
 

Was sind die Symptome bei einem Wachkoma?

Zu den wichtigsten Symptomen eines Wachkomas gehört das andauernde Fehlen eines bewussten Wahrnehmens – dabei sprechen wir von einem fehlenden Bewusstsein des Patienten seiner selbst und seiner Umwelt sowie von fehlenden sinnvollen Reaktionen auf äußere Reize bei erhaltenem Schlaf-Wach-Rhythmus. Hierbei sind die Unterscheidung und Abgrenzung zum Koma wichtig, bei dem der Patient die Augen ständig geschlossen hält und keinen Schlaf-Wach-Rhythmus zeigt.
 

Welche Ursachen hat das Wachkoma?

Die Ursachen eines Wachkomas liegen in einer direkten Verletzung oder Erkrankung des Gehirns. Als häufigster Auslöser gilt hierbei ein Schädel-Hirn-Trauma infolge zum Beispiel eines Unfalls. Aber auch eine Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff, etwa infolge eines Narkosezwischenfalls oder einer Wiederbelebung nach einem Herzstillstand, kann zu einem Wachkoma führen. In der Regel haben Wachkoma-Patienten eine schwere Schädigung des Großhirns erlitten, während andere Teile des Hirns noch weitgehend intakt sein können. Darüber hinaus können auch Vergiftungen durch Drogen oder andere Gifte ein Wachkoma hervorrufen.
 

Was verändert sich bei einem apallischem Syndrom im Gehirn?

Ein apallisches Syndrom führt zu einer Unterbrechung aller Verbindungssysteme vom Großhirn zum Hirnstamm. Der Betroffene kann weder seine Arme, seine Beine, noch seinen Kopf bewegen, da die Bewegungsimpulse der Großhirnrinde das Rückenmark nicht erreichen. Das hat zur Folge, dass der Patient nur starr vor sich hinschaut. Außerdem können auch Reize von außen und vom eigenen Körper die Großhirnrinde nicht mehr erreichen, was einen Ausfall jeglicher Wahrnehmung verursacht.
 
Diese eingetretenen Schädigungen der Verbindungssysteme zum und vom Gehirn führen dazu, dass der Betroffene aus einem anfänglichen Koma nicht mehr aufwacht. Innerhalb von zwei bis drei Wochen entwickelt sich ein apallisches Syndrom – der Patient liegt danach im Wachkoma.
 

Wie diagnostiziert der Arzt ein apallisches Syndrom?

Eine Diagnose des apallischen Syndroms gestaltet sich oftmals schwierig, da das Bewusstsein eines Menschen nicht direkt messbar ist und es auch keine Zusatzuntersuchungen gibt, die das Vorhandensein von Bewusstsein beweisen können. Dennoch gibt es einige diagnostische Kriterien, an denen sich der Arzt orientiert, wenn er eine korrekte Diagnose stellen will.
 
Dazu gehören unter anderem das fehlende Wahrnehmen seiner Selbst oder der Umwelt, ein spontanes oder reflektorisches Öffnen der Augen, das Fehlen jeglicher sinnvoller und reproduzierbarer Kommunikation, kein sicheres optisches Fixieren und reproduzierbares Verfolgen äußerer Reize, keine emotionellen Reaktionen auf Ansprechen und eine fehlende verbale Kommunikation bei ungerichteten verbalen Äußerungen.
 
Außerdem ist bei einem Wachkoma-Patienten ein Schlaf-Wach-Rhythmus zu beobachten sowie andere primitiven Reflexe wie die Saug-, Schluck-, Kau- und Greifreflexe. Auch die Blutdruckregulation und die Herzkreislauffunktionen sind weiterhin intakt. Darüber hinaus ist der Patient in der Regel komplett blasen- und mastdarminkontinent. Typisch sind vegetative Symptome wie Schwitzen, Speichelfluss, ein beschleunigter Herzschlag und die Beugestellung der Arme mit Faustschluss sowie die Streckstellung der Beine und Füße. Diese führen häufig zu schmerzhaften Kontrakturen (=Verkürzung beziehungsweise Versteifung von Muskeln oder Sehnen).
 
Sind einige oder sogar alle dieser Kriterien vorhanden, so kann der Arzt davon ausgehen, dass der Patient im Wachkoma liegt. Heutzutage versuchen Ärzte mithilfe von modernen bildgebenden Verfahrensmöglichkeiten herauszufinden, ob der Betroffene noch bei Bewusstsein ist. Dabei spielt die Untersuchungsmethode der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) eine wichtige Rolle. Hiermit lassen sich Aktivitäten im Körper abbilden.
 
Die Positronen-Emissions-Tomographie zeigt, welche Hirnareale des Patienten noch aktiv sind und welche miteinander noch kommunizieren. Sie liefert außerdem genauere Ergebnisse über den Zustand des Wachkoma-Patienten und gibt dadurch wichtige Hinweise für die weitere Therapie. Außerdem ordnen Ärzte eine funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) an. Diese zeigt, ob und welche Hirnregionen sich durch Bilder oder Sätze aktivieren lassen.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei einem Wachkoma?

An erster Stelle ist festzuhalten, dass es „die eine“ Behandlungsmöglichkeit oder „die richtige“ Pflege von Menschen im Wachkoma nicht gibt. Denn die Pflege ändert sich mit dem Zustand des Betroffenen – in der Akutphase auf der Intensivstation sind andere Maßnahmen nötig als in der darauffolgenden Rehabilitation oder in der Langzeitversorgung. Eine Behandlung unterscheidet sich auch danach, in welchem Umfang der Patient seine Selbstständigkeit zurückgewinnen könnte.
 
In der Akutphase versuchen Ärzte die Vitalfunktionen zu stabilisieren, damit der Betroffene überlebt. In der Rehabilitation versucht das Fachpersonal durch intensive Behandlung über einen begrenzten Zeitraum einen Zustand zu erreichen, in dem der Patient so weit wie möglich wieder selbstständig sein Leben führen kann, wenn auch mit Einschränkungen oder Behinderungen. Im Rahmen einer Langzeitversorgung sprechen wir von einer Betreuung, die dem Betroffenen langfristig eine fördernde und aktivierende Pflege zusichert.
 
Bei allen drei Behandlungsstadien ist die individuelle Förderung zur Bewältigung der Aktivitäten des täglichen Lebens das übergeordnete Ziel. Außerdem ist auch die (Re-) Integration, also die soziale Wiederaufnahme in die Gesellschaft, in die Familie oder den Freundeskreis, immens wichtig.
 
In der Praxis bedeutet all dies, dass durch konkrete Förder- und Trainingsmaß­nah­men die Fähigkeiten des Betroffenen in verschiedenen Bereichen verbessert werden müssen.
 
Im Rahmen einer Behandlung fördert das Pflegepersonal die Kommunikation, Wahrnehmung, aktive Beweglichkeit und Mobilität sowie die Koordination des Betroffenen. Darüber hinaus streben sie eine Regulierung des Muskeltonus an. Außerdem trainieren sie mit dem Patienten die Aufmerksamkeit, das Erinnerungsvermögen, die Konzentration, das Kauen, das Schlucken, das Sprechen, das Sprach- und Hörverständnis sowie viele weitere Elemente des täglichen Lebens.
 
Bereits die Vielfalt der Förder- und Trainingsmöglichkeiten zeigt an, dass dazu ein interdisziplinäres therapeutisches Team nötig ist. Dieses besteht aus professionellen Pflegetherapeuten, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Ärzten, Neuropsychologen, Sozialdiensten und Angehörigen, die sich in die Pflege und Versorgung des Patienten einbringen.
 
Außerdem hat sich auch in vielen Fällen die Anwendung von Musiktherapie und/oder einer tiergestützten Therapie bewährt. Generell gilt, dass nur durch eine warmherzige Zusammenarbeit dieser Berufsgruppen und der damit verbundenen unterschiedlichen Therapieansätze die bestmögliche Behandlung und Förderung des Betroffenen zu erreichen ist.
 

Wie ist der Krankheitsverlauf beim apallischen Syndrom?

Einige Patienten finden aus dem Wachkoma heraus und erholen sich gut, die meisten bleiben jedoch pflegebedürftig. In vielen Fällen bleibt der Zustand des Betroffenen über viele Monate (fast) unverändert. Menschen im Wachkoma sind zwar schwerstkrank, sie liegen aber weder im Sterben noch sind sie hirntot. Im Verlauf der Krankheit sind sie jedoch bis auf Weiteres auf fremde Hilfe und Pflege von ihren Angehörigen oder vom professionellen Pflege- und Fachpersonal angewiesen.
 

Welche Faktoren bestimmen die Prognose bei einem apallischen Syndrom?

Eine wichtige Rolle bei der Prognose spielen Faktoren wie die Dauer der Erkrankung und das Stadium der Erkrankung. Je länger der Betroffene im Wachkoma liegt, desto schlechter gestaltet sich die Prognose, denn mit zunehmender Dauer des Wachkomas sinken auch die Chancen.
 
Dennoch haben Wachkoma-Patienten ein Lebensrecht wie andere Schwerkranke auch. Die Situation gestaltet sich jedoch komplizierter, da sie im Gegensatz zu den meisten Schwerkranken ihren Willen nicht äußern können. Es ist nicht genau feststellbar, was der Betroffene empfindet, beziehungsweise ob er sich wohlfühlt oder leidet. Ein Wachkoma-Patient kann nur durch angemessene Betreuung und Förderung die Chancen für eine positive Prognose kriegen, die er verdient.
 

Was bedeutet die Diagnose Wachkoma für Angehörige?

Patienten, die im Wachkoma liegen, sind ununterbrochen auf Hilfe angewiesen. Neben der körperlichen Versorgung gehören dazu auch der menschliche Beistand und Zuwendung. Hierbei spielen vor allem Angehörige des Betroffenen eine wichtige Rolle, ungeachtet dessen, ob es sich um Familienmitglieder oder Freunde handelt. Mittlerweile gibt es auch zunehmend Hinweise darauf, dass das Bewusstsein vieler Menschen im Wachkoma auf dessen Umgebung reagiert und nicht vollkommen erlischt. Aus diesem Grund ist ein liebevoller und respektvoller Umgang mit dem Patienten immens wichtig.
 
Diese Pflegebedürftigkeit des Betroffenen kann für die Angehörigen anfangs sehr belastend sein, denn es handelt sich um eine große Veränderung des Alltags sowohl der Familie und Freunde, als auch des Patienten an sich. Trotzdem bedeutet die Diagnose für Angehörige auch, dass sie bei der Behandlung mithelfen können. Ein liebevoller Umgang und eine respektvolle Pflege zeigen Wirkung, auch wenn diese nicht immer leicht von außen zu erkennen ist.
 
In vielen Fällen reagieren Wachkoma-Patienten jedoch auf liebevolle Stimulation mit einer veränderten Herzfrequenz und Atmung. Dabei verändern sich auch Muskeltonus und Hautwiderstand, in manchen Fällen reagieren die Betroffenen im Wachkoma sogar in Form vom Weinen auf ihre Familien und Freunde. Angehörige und Pflegende wissen zwar nicht genau, wie viel der Patient im Wachkoma wirklich wahrnimmt, diese Reaktionen zeigen und bestätigen jedoch, dass sie sich immer so verhalten sollten, als könne der Betroffene alles ganz normal wahrnehmen und verstehen.

Was kostet die Behandlung eines apallischen Syndroms und übernimmt die Krankenkasse die Kosten?

Die Kosten für die Betreuung eines Wachkoma-Patienten sind enorm und belaufen sich auf rund 7.000 Euro pro Monat. In der Regel übernimmt die Krankenkasse des Patienten die Kosten für die Behandlung eines apallischen Syndroms. Jedoch kann es passieren, dass manche Krankenversicherungsträger die Kosten nur zum Teil übernehmen.

Bei einer 24-stündigen Intensivpflege fallen auch während der Zeiten der Behandlungspflege grundpflegerische Leistungen an. Die Finanzierung der reinen Grundpflegezeiten wird nach aktueller Rechtsprechung zu 50 Prozent von der Krankenkasse und zu 50 Prozent von der Pflegeversicherung getragen. Informiere Dich am besten direkt bei Deiner Kranken- oder Pflegeversicherung, welche Kosten sie deckt und welche Du gegebenenfalls sogar selbst übernehmen musst.