Chronische Erschöpfungssyndrom (CFS)

Lang anhaltende, lähmende Erschöpfung, enorme Müdigkeit bereits nach geringer körperlicher Anstrengung, Schlafstörungen, Gelenk- und Muskelschmerzen - so fühlt sich der Alltag einer am chronischen Erschöpfungssyndrom erkrankten Person an. Von einem normalen Alltag kann jedoch keine Rede sein, denn die Betroffenen sind stark eingeschränkt. Was genau CFS ist, welche Ursachen es hat und wie es behandelt wird, erfährst Du im nachfolgenden Beitrag.


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Inhaltsverzeichnis

Chronische Erschöpfungssyndrom (CFS)

ICD-10-GM-2020 G93.3

Was versteht die Medizin unter einem chronischen Erschöpfungssyndrom?

Unter dem Chronischen Erschöpfungssyndrom (CFS – Chronic Fatigue Syndrom) verstehen wir eine schwerwiegende und vielgestaltige neuroimmunologische Erkrankung. Früher gingen Forscher von einer psychischen Erkrankung aus, dies wurde jedoch widerlegt, da es sich beim CFS um eine Multisystemerkrankung handelt, die vor allem das Nerven-, Immunsystem und den Energiestoffwechsel betrifft.
 
Die Krankheit zeichnet sich vor allem durch lang anhaltende, enorme mentale und körperliche Erschöpfung aus. Diese lähmende Müdigkeit lässt sich nicht durch eine genaue körperliche Ursache oder eine spezifische psychische Störung erklären.
 

 
Die Betroffenen leiden unter weiteren Beschwerden wie Schlafstörungen, Hals-, Gelenk- oder Muskelschmerzen, Konzentrationsstörungen und weisen eine erhöhte Infektanfälligkeit auf. Diese CFS-Symptome verschlechtern sich bereits nach geringer körperlicher oder geistiger Anstrengung. Dadurch sinkt die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität der Patienten massiv. Der Leidensdruck der Betroffenen steigt unter anderem auch deshalb, da das Umfeld des Betroffenen die Erkrankung manchmal nicht anerkennt oder ernst nimmt.
 
International ist die Benennung des Krankheitsbildes nicht einheitlich und unterliegt unterschiedlichen Definitionen und Klassifikationskriterien. In Großbritannien und Skandinavien wird CFS oft als Myalgische Enzephalomyelitis (ME) bezeichnet, wobei hier eine umfassende Entzündung des zentralen Nervensystems mit Muskelbeteiligung als Ursache betrachtet wird. Andere Experten sprechen lieber von „ME/CFS“.
 
In Deutschland spricht man oft vom Chronischen Erschöpfungssyndrom bzw. auch vom Chronischen Müdigkeitssyndrom, viele Experten lehnen diese Begriffe jedoch als verharmlosend ab. Die neueste Bezeichnung der Krankheit ist Systemic Exertion Intolerance Disease (SEID), die auf die systemische Belastungsintoleranz zurückzuführen ist.
 
Wichtig ist die Unterscheidung zum Fatigue-Syndrom, das häufig bei Krebs oder anderen chronischen Erkrankungen auftritt. Dieses weist zwar ähnliche Beschwerden auf, unterliegt aber anderen Ursachen.

Wie häufig ist das chronische Erschöpfungssyndrom?

Da die Erkrankung oft nicht klar definiert ist und es keine einheitlichen Diagnosekriterien gibt, schwanken die Angaben darüber, wie viele Personen betroffen sind, beträchtlich. Laut dem Bundesverband Chronisches Erschöpfungssyndrom leiden in Deutschland rund 300.000 Menschen an CFS. Dieser Schätzwert ergibt sich aus amerikanischen Untersuchungen zur CFS-Häufigkeit, welche die Wissenschaft anschließend auf Deutschland übertragen hat. Weltweit sind ungefähr 17 Millionen Menschen an CFS erkrankt. Die Krankheit kann in jedem Lebensalter auftreten, sehr oft bricht sie jedoch bei 29- bis 35-Jährigen aus, Frauen sind dreimal häufiger betroffen als Männer.

Was sind die Symptome eines chronischen Erschöpfungssyndroms?

Für die genaue Diagnose ziehen Ärzte unterschiedliche Kriterienkataloge heran. Dabei verwenden die Experten häufig die „Kanadischen Konsenskriterien“ (CCC – Canadian Consensus Criteria) und die „Internationalen Konsenskriterien“ (ICC).
 
Laut den Kanadischen Konsenskriterien treten bei CFS Symptome wie eine unerklärliche, lang anhaltende, neu aufgetretene oder wiederkehrende körperliche oder mentale Erschöpfung auf, die das Aktivitätslevel der Betroffenen erheblich verringert. Diese Symptome verstärken sich nach Belastung. Ungewöhnliche Erschöpfung, Schmerzen und Verstärkung des Krankheitsgefühls treten auf. Weiter gelten laut CCC Schlafprobleme, wie nicht erholsamer Schlaf und ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus, als Symptome der Erkrankung. Weitere Symptome sind Muskel- oder Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Konzentrations- und Wortfindungsstörungen sowie Störungen der Bewegungskoordination.
 
Eine weitere Voraussetzung ist laut den CCC, dass mindestens ein Symptom in mindestens zwei der folgenden Kategorien auftritt:
 

  • Autonome Manifestationen (extreme Blässe, Herzrhythmusstörungen, Übelkeit etc.)
  • Neuroendokrine Manifestationen (niedrige Körpertemperatur, Schweißanfälle, Appetitverlust oder gesteigerter Appetit etc.),
  • Immunologische Manifestationen (wiederkehrende Halsschmerzen und Grippe-ähnliche Symptome, empfindliche Lymphknoten etc.)


 
Die Beschwerden müssen darüber hinaus seit mindestens sechs Monaten vorhanden sein, damit die Diagnose CFS gestellt werden kann. Bei den Internationalen Konsenskriterien (ICC) ist es keine Voraussetzung, dass die Symptome seit mindestens sechs Monaten bestehen. Der Arzt kann die Diagnose auch früher stellen, wenn gewisse Kriterien erfüllt sind.
 
Dazu gehört eine unverhältnismäßige Verschlechterung der Symptome nach körperlicher oder mentaler Anstrengung, die Stunden bis Tage andauern kann und gegen die weder Schlaf noch Ruhe helfen. Dieses als Postexertional neuroimmune exhaustion (PENE) bezeichnete Symptom muss bei einem CFS auf jeden Fall gegeben sein. Außerdem muss mindestens ein Symptom aus einer dieser Kategorien vorhanden sein:
 

  • neurologische Beeinträchtigung (Schmerzen, Schlafstörungen, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Muskelschwäche, Empfindlichkeit gegenüber Gerüchen, Geräuschen, Licht oder Berührung etc.),
  • immunologische und urogenitale Beeinträchtigungen (erhöhte Infektanfälligkeit, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Reizdarm, chronische Atemwegsinfekte etc.)
  • Störung von Energieproduktion und Ionentransport (Herzrhythmusstörungen, niedriger Blutdruck, Schwindel, Schweißausbrüche, Kurzatmigkeit, Unverträglichkeit gegenüber Hitze oder Kälte etc.)

Welche Ursachen hat das chronische Erschöpfungssyndrom?

Das Krankheitsbild des CFS ist sehr komplex und entwickelt sich, oft nach einer Virusinfektion, schlagartig. Andere Betroffene berichten aber auch darüber, dass sich CFS bei ihnen schleichend über längere Zeit entwickelt hat.
 
Anfangs vermuteten Forscher, dass eine Virusinfektion (vor allem das Epstein-Barr-Virus lag unter Verdacht) die Ursache des CFS ist. Die genauen Ursachen für das Entstehen des chronischen Erschöpfungssyndroms sind jedoch bislang nicht abschließend geklärt.
 
Mehrere Studien der letzten Jahre deuten darauf hin, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt, wobei der Körper das eigene Immunsystem angreift, und dadurch schwere Störungen des Energiestoffwechsels in den Mitochondrien verursacht.
 
Ärzte nehmen an, dass einige Menschen eine Veranlagung für CFS haben, und dass das Syndrom durch akute seelische und/oder körperliche oder chronische seelische Belastungen ausgelöst wird. Aber auch körperliche Krankheiten wie Stoffwechselstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Impfungen, gewisse Medikamente oder Chemotherapie, schwere Essstörungen, Verstrahlungen und Umweltgifte gelten als mögliche Auslöser des chronischen Erschöpfungssyndroms.

Welche Risikofaktoren begünstigen CFS?

Experten sprechen von verschiedenen Risikofaktoren und teilen diese in prädisponierende (vorausgehende), auslösende und aufrechterhaltende Faktoren auf.
 
Zu den prädisponierenden Faktoren gehört meist ein vorausgehender Infekt, der oft in eine Phase fällt, die von Stress oder hoher Aktivität geprägt ist. Außerdem vermuten Experten dank einiger Zwillingsstudien, dass manche Menschen eine genetische Anfälligkeit für CFS aufweisen. Jedoch sind noch keine bestimmten Risikogene nachweisbar.
 
Als auslösender Faktor gilt vor allem eine Infektion. Es gibt Patienten, bei denen CFS infolge einer Infektion mit Epstein-Barr-Viren (infektiöse Mononukleose) oder Enteroviren (z.B. grippaler Infekt), nach Denguefieber, Q-Fieber oder Lymeborreliose aufgetreten ist.
 
Aber auch schwere Verletzungen, Operationen, Schwangerschaften, der Verlust eines nahestehenden Menschen oder Arbeitslosigkeit können zu den auslösenden Faktoren des CFS gehören.
 
Zu den aufrechterhaltenden Faktoren zählen körperliche Überlastung sowie psychischer Stress, denn diese können die Symptome des CFS noch verstärken. Führt die Erkrankung dazu, dass der Betroffene nicht mehr arbeiten kann, wenig soziale Unterstützung erhält und von seinem Umfeld nicht ernst genommen oder sogar depressiv wird, verschlimmert sich der Krankheitsverlauf. Operationen oder Unfälle können ebenfalls zu einer akuten Zunahme der Beschwerden führen. Ein großes Problem stellt die erhöhte Infektanfälligkeit dar, denn viele Patienten leiden nach einer Infektion wochenlang an den Symptomen des CFS. Diese Wirkung haben auch Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten.

Wie diagnostiziert der Arzt ein chronisches Erschöpfungssyndrom?

Die Erkrankung ist schwer zu diagnostizieren, da es keine speziellen Laboruntersuchungen oder Ähnliches gibt, die die Diagnose CFS sichern. In vielen Fällen wird die Krankheit deshalb nicht erkannt.
 

 
Die Diagnose CFS ist meist eine Ausschlussdiagnose. Der Arzt erhebt die genaue Krankengeschichte mit allen auftretenden Symptomen und kann danach andere Erkrankungen, die ähnliche Beschwerden wie beim CFS aufweisen, ausschließen. Dazu gehören zum Beispiel Schilddrüsen-, Herz- und Lebererkrankungen, Blutarmut, Diabetes, Tumorerkrankungen, psychosomatische Erkrankungen wie Depression oder Burn-out-Syndrom, Infektionskrankheiten wie chronische Hepatitis, rheumatologische Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose.
 
Um diese Krankheiten auszuschließen, veranlasst der Arzt unterschiedliche körperliche Untersuchungen, Ultraschall- und Blutuntersuchungen. Bei der körperlichen Untersuchung finden sich manchmal unspezifische Hinweise wie Augenringe, Blässe, körperliche Schwäche, kalte Hände und Füße oder druckschmerzhafte Lymphknoten. Laborwerte befinden sich sogar bei schwerer Symptomatik im Normbereich, auffällige Werte deuten demnach eher auf andere Krankheiten hin.
 
Schließlich prüft der Spezialist mithilfe der Kanadischen oder Internationalen Konsenskriterien, ob der Patient Merkmale aufweist, die auf ein chronisches Erschöpfungssyndrom hinweisen. Ist dies der Fall, so kann er die Diagnose CFS stellen.

Wie lässt sich CFS therapieren?

Es gibt nicht “die eine” Therapie, nach welcher alles Mediziner vorgehen. Jede Behandlung muss der Arzt in diesem Fall individuell an die betroffene Person anpassen. Diese richtet sich nach den am meisten belastenden Symptomen wie Schlafstörungen oder Begleiterkrankungen und beinhaltet sowohl medikamentöse als auch nicht-medikamentöse Maßnahmen.
 
Gegen die auftretenden Gelenk- und Kopfschmerzen verschreibt der Arzt Medikamente wie Schmerzmittel. Ist bei einem Betroffenen auch eine Depression vorhanden, so findet eine Behandlung mit Antidepressiva statt. Weist der Patient eine Infektion auf, erfolgt die Therapie etwa mit Antibiotika. Das Gleiche gilt bei einem Mangel an bestimmten Vitaminen oder Mineralstoffen (Vitamin D, Zink, Eisen), in solchen Fällen kommen entsprechende Präparate zum Einsatz.
 
Darüber hinaus empfehlen Ärzte einen geregelten Tagesablauf. In Rahmen einer Verhaltenstherapie erlernen die Betroffenen neue Verhaltensweisen, die ihnen helfen, weitgehend beschwerdefrei durch den Alltag zu kommen. Dabei raten die Spezialisten dringend von physischen und psychischen Belastungen und Überanstrengungen ab, denn diese verschlimmern die Symptome des CFS.
 
Außerdem gibt es bereits auf die Behandlung des CFS spezialisierte Reha-Kliniken, die den Betroffenen im Allgemeinen ganzheitliche Therapien zur Verbesserung ihres Allgemeinzustandes bieten. Im Rahmen von Einzel- und Gruppenpsychotherapien, Sport-, Licht-, Ergo-, Kreativ- und Musiktherapien, Ernährungsberatungen, Angstbewältigungs- und sozialen Kompetenztrainings erlernen die Betroffenen, wie sie am besten mit ihrer Erkrankung im Alltag umgehen können.
 
Auch unterschiedliche Entspannungsverfahren wie zum Beispiel Autogenes Training oder andere Stressabbaumethoden erweisen sich als hilfreich und helfen auch bei den Schlafstörungen. In einigen Fällen verringert eine Ernährungsumstellung die Beschwerden des CFS. Dabei sollten die Patienten darauf achten, dass sie ausreichend Vitamine, Mineralstoffe, ungesättigte Fettsäuren und Proteine zu sich nehmen.

Wie ist der Krankheitsverlauf bei einem CFS?

Wenn der Arzt aufgrund der vorliegenden Symptome die Diagnose CFS stellt, lässt sich schwer voraussagen, wie sich der Zustand des Betroffenen weiterentwickeln wird. In den meisten Fällen tritt die Krankheit plötzlich auf und die damit verbundene anhaltende Erschöpfung und Leistungsschwäche führen dazu, dass der Betroffene kaum noch aus dem Haus gehen kann und in seinem Alltag somit stark bis total eingeschränkt ist (bis hin zu Invalidität).
 
Nach einer Zeit ebben die Symptome des Syndroms ab, allerdings muss der Betroffene Geduld haben, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Besserung über Monate oder sogar Jahre ziehen kann. Eine Einschätzung, wie lang sich dieser Prozess ziehen kann, ist nicht einfach und ist, wie auch die Behandlung, von Patient zu Patient unterschiedlich.
 
Stellt sich eine zurückgewonnene Leistungsfähigkeit ein, gilt es, diese zu bewahren und nicht wieder in alte Muster zu verfallen. Aus diesem Grund gilt es, stressige Situationen und körperliche und emotionale Belastungen so weit wie möglich zu vermeiden.
 

 
In selteneren Fällen treten die Symptome des CFS schleichend auf. Im Laufe der Zeit verschlechtern sich die Beschwerden und werden immer stärker. Nimmt ein chronisches Erschöpfungssyndrom diesen Verlauf, ist der Behandlungsverlauf deutlich langwieriger.

Welche Folgen hat CFS für Betroffene und ihren Alltag?

Die mit der Krankheit einhergehenden Symptomen, wie lang anhaltende, lähmende Erschöpfung oder Schlafstörungen haben zur Folge, dass die Betroffenen keinen normalen Alltag haben und stark eingeschränkt sind. In extremen Fällen führt CFS zur Invalidität und dazu, dass der Patient auf seine Familie und Freunde angewiesen ist.

Übernimmt die Krankenkasse die Kosten für die Behandlung des CFS?

Leider übernimmt die Krankenkasse die Kosten nicht, da CFS noch immer keine ausreichende Berücksichtigung als schwere, eigenständige Krankheit findet.