Arteriitis temporalis (Riesenzellarteriitis)

Die Arteriitis temporalis zählt zu den häufigsten Vaskulitiden, ein Sammelbegriff für alle Arten von Gefäßentzündungen, sowohl Arterien als auch Venen einschließend. Bei den Vaskulitiden unterscheidet man solche, die nur kleine Gefäße und solche, die nur große Gefäße betreffen. Die Arteriitis temporalis gehört zu Letzteren, sie tritt vor allem an der Schläfenarterie auf, weniger häufig auch an anderen Arterien des Gehirns oder an der Hauptschlagader. Ihren Namen verdankt die Riesenzellarteriitis den histologisch nachweisbaren Riesenzellen, die im Rahmen einer Entzündung durch Verschmelzung mehrerer Zellen entstehen und nicht nur besonders groß sind, sondern auch mehrere Zellkerne aufweisen. Da die Symptome der Arteriitis temporalis häufig recht unspezifisch sind und lang als simpler Kopfschmerz abgetan werden, vergeht nicht selten viel Zeit, bis der passende Spezialist gefunden wird (Facharzt für Rheumatologie) und die Diagnose eindeutig feststeht.


AUTOR

Medizinischer Experte

CO-AUTOR

Online-Redaktion

Dieser Text wurde nach höchsten wissenschaftlichen Standards verfasst und von Medizinern geprüft.


Inhaltsverzeichnis

Arteriitis temporalis (Riesenzellarteriitis)

Was versteht die Medizin unter einer Arteriitis temporalis?

Es handelt sich bei der Erkrankung um eine Entzündung der großen Arterien, wobei in den meisten Fällen die namensgebende Arteria temporalis (Schläfenarterie), ein Abzweigungsgefäß der Halsschlagader, betroffen ist. In weniger häufigen Fällen sind allerdings auch die Halsschlagader selbst oder kleinere Gehirnarterien betroffen.

Wie sehen die Symptome einer Arteriitis temporalis aus?

Das wohl häufigste Symptom (zwei Drittel aller Betroffenen weisen dieses auf) ist ein einseitiger, stechender Kopfschmerz in der Schläfenregion. Dieser verstärkt sich häufig durch Bewegung der Gesichts- und Kaumuskulatur, vor allem beim Kauen von Nahrung kann es zu raschen muskulären Ermüdungserscheinungen kommen, weshalb viele Betroffene auch über Appetitlosigkeit und eine Gewichtsabnahme klagen. Breitet sich die Gefäßentzündung auf jene Arterien aus, die Sehnerv und Augenmuskulatur versorgen, können zudem Sehstörungen sowie eine herabgesetzte Fähigkeit Augen und Augenlider zu bewegen, die Folge sein. Resultat ist zum einen das Sehen von Doppelbildern, zum anderen ein herabhängendes Augenlid. In seltenen Fällen verläuft die Riesenzellarteriitis ohne spezifische Symptome, allgemeines Unwohlsein, Schwäche, Nachtschweiß oder Fieber stehen dann im Vordergrund und sind Ausdruck einer allgemeinen Entzündungs- und Immunreaktion.

Wie ist der Verlauf einer Arteriitis temporalis?

Bei raschem Einsetzen der Therapie ist in der Regel mit einer vollständigen Regeneration zu rechnen, Erblindungsfälle treten nur in äußerst seltenen Fällen und bei Nichteinhalten der Therapie auf. In nur wenigen Fällen kommt es zum Wiederauftreten der Symptomatik und zu chronischen Verläufen.

Was sind die Ursachen für eine Arteriitis temporalis?

Die Erkrankung ist eine T-Zell-abhängige Autoimmunerkrankung mit genetischer Prädisposition und gehört zum sogenannten rheumatischen Formenkreis. T-Zellen sind Blutbestandteile, die zur Immunabwehr wichtig sind. Durch eine Fehlfunktion des Immunsystems werden Antikörper gegen körpereigene Strukturen, in diesem Fall Bestandteile der Gefäßwand, gebildet. Warum genau dieser fehlerhafte Angriff auf die eigenen Zellen geschieht, ist immer noch nicht hinreichend geklärt, angenommen wird zum einen eine genetische Prädisposition und zum anderen ein Trigger, beispielsweise eine Virusinfektion, bei der nicht nur Antikörper gegen Viruspartikel, sondern auch die fehlerhaften Antikörper gebildet werden.

Wie lässt sich eine Arteriitis temporalis diagnostizieren?

Einen ersten diagnostischen Hinweis gibt meist die Anamnese, also das ausführliche Gespräch über aktuelle Beschwerden und Symptome zwischen Dir und dem Arzt. Starke, stechende und einseitige Kopfschmerzen der Schläfenregion verbunden mit Phasen von Sehstörungen lenken den Verdacht des Spezialisten in die richtige Richtung. Die laborchemische Untersuchung des Blutes ergibt erhöhte Entzündungsparameter, die allein allerdings nicht beweisend sind. Bekräftigt wird der Verdacht mithilfe einer Ultraschalluntersuchung, bei der sich eine Entzündungsreaktion der betroffenen Arterie und eine mangelnde Durchblutung der versorgten Gewebeanteile zeigen.

Ist nicht (nur) die Temporalarterie, sondern andere Gefäße, beispielsweise die Hauptschlagader oder Gefäße des Gehirns betroffen, ist ein Ultraschall nicht zielführend, sondern muss stattdessen ein MRT oder ein PET-CT durchgeführt werden. Ein sicherer Nachweis der Arteriitis temporalis erfolgt mittels Biopsie, also einer histologischen Untersuchung der betroffenen Arterie selbst. Dazu entnimmt Dir der Chirurg unter Narkose ein kurzer Abschnitt der Temporalarterie und näht die verbleibenden Enden wieder zusammen. Das entnommene Gefäßstück untersucht der Arzt unter dem Mikroskop. Entzündliche Veränderungen und das Vorhandensein typischer Riesenzellen können dabei direkt festgestellt werden.

Wer ist am häufigsten davon betroffen?

Frauen sind von der Erkrankung häufiger betroffen als Männer. Die Erkrankung tritt meist erst in höherem Alter auf, durchschnittlich liegt die Erstmanifestation bei 70 Jahren. Betroffen sind häufig Personen mit weiteren rheumatischen, autoimmunbedingten Erkrankungen, allen voran der Polymyalgia rheumatica, eine Erkrankung der Muskulatur. Bei bis zur Hälfte aller Betroffenen treten die beiden Erkrankungen gemeinsam auf. Auch bei der Polymyalgia rheumatica liegen sowohl spezifische Symptome (Schmerzen der Schulter-, Rücken- und Beckenmuskulatur, Morgensteifigkeit) als auch unspezifische Symptome (allgemeine Schwäche, erhöhte Temperatur, Krankheitsgefühl und Abgeschlagenheit) vor.

Wie lässt sich eine Arteriitis temporalis behandeln?

Die Therapie erfolgt medikamentös, mittels entzündungshemmender beziehungsweise immunmodulierender Substanzen. Bei erstmaligem Auftreten und im akuten Fall der Erkrankung behandelt der Arzt meist in erster Linie mit Cortison. Dieses verabreicht er anfangs hoch dosiert und reduziert es danach schrittweise auf die geringstmögliche Dosis. Nach einigen Monaten bis Jahren kann der Versuch eines Absetzens unternommen werden, treten Symptome wieder auf, muss die Dosis jedoch erneut erhöht werden. Bei Entzündungsrezidiven, therapieresistenten Formen und der Notwendigkeit einer lebenslangen Therapie sollte Cortison vermieden werden, da im Verlauf schwerwiegende Komplikationen und Folgeerscheinungen auftreten können, hier weicht der Spezialist oftmals stattdessen auf andere Substanzen, wie beispielsweise Methotrexat oder sogenannte Biologika aus.

Welche Komplikationen können auftreten?

Die wohl gefürchtetste Komplikation der Arteriitis temporalis ist die vollständige Erblindung durch anhaltende Entzündung der den Sehnerv versorgenden Arterien, da ohne Sauerstoffversorgung der Nerv nachhaltig beschädigt bleibt. Bei frühzeitiger Diagnostik und adäquater Behandlung ist das Risiko für eine solche Erblindung allerdings sehr gering. Bei fehlender Behandlung der Arteriitis temporalis ist die rasche und schmerzlose Erblindung jedoch sehr häufig, bis zu 70% der Patienten sind davon betroffen.

Wie kann ich eine Arteriitis temporalis vorbeugen?

Eine Vorbeugung im typischen Sinne ist de facto nicht möglich, da es sich um eine genetisch bedingte und durch Umweltfaktoren getriggerte Autoimmunerkrankung handelt. Allerdings können stress-lindernde und lebensstilmodifizierende Maßnahmen die Wahrscheinlichkeit eines rezidivierenden Verlaufs reduzieren. Eine gesunde und nährstoffreiche Ernährung, der Verzicht auf Alkohol und Nikotin und regelmäßige Bewegung helfen das Immunsystem zu stärken.

Übernehmen die Krankenkassen die Kosten?

Sowohl bildgebende Verfahren als auch die medikamentöse Behandlung werden normalerweise durch die Krankenkassen übernommen. Zu beachten ist allerdings, dass dem Cortison alternative Behandlungsmethoden meist erst nach eindeutiger Unverträglichkeit oder Auftreten von Komplikationen bewilligt werden.