ICD-10. Q74.0
Die Klinodaktylie ist ein angeborenes Symptom des Handgelenks, bei dem ein Knochenglied im Allgemeinen radial abgewinkelt zu den anderen Knochengliedern steht. Meistens ist dabei der Kleinfinger betroffen. Die genaue Ursache findet sich in der Wachstumsfuge, die bei Kindern, im Gegensatz zu Erwachsenen, noch eine wichtige Rolle während der Entwicklung des Knochenwachstums spielt. Ist sie längs falsch ausgebildet, wirkt sie wie eine Klammer und lässt den Knochen nicht gerade in der normalen Längsrichtung, sondern eher tetraederförmig wachsen, sodass die folgenden Glieder alle mit verdreht sind. Dadurch verdreht sich der ganze Finger und richtet sich meistens in Richtung Handinnenseite. Man spricht auch synonym von einer Fehlstellung der Phalangen des Skeletts an Hand oder Fuß.
Die Klinodaktylie tritt oft isoliert auf oder ist bedingt durch eine andere, meist genetische Erkrankung, oder eine solche, die durch Schädigung des Kindes im Mutterleib hervorgerufen wurde. Fehlstellungen dieser Art treten bei etwa einem Promille der Neugeborenen auf, man kann aber von einer hohen Dunkelziffer unauffälliger Fälle ausgehen.
Die Medizin unterscheidet danach, welches Gelenk betroffen ist:
Außerdem unterscheidet die Medizin welche Extremitäten, in welche Richtung und vor allem um wie viel Grad verdreht sind.
In den meisten Fällen ist das Symptom am Kleinfinger zu finden, kann aber auch in den anderen Finger, am Daumen oder an den Zehen lokalisiert sein, normalerweise symmetrisch, also an den gleichen Fingern/Zehen beider Extremitäten. Im Regelfall ist ein Finger Richtung Daumen geknickt und verdreht. Die Symptome sind oft nicht stark ausgeprägt, sodass sie sogar manchmal erst spät bemerkt werden. In einigen Fällen verringert sich die Beweglichkeit, und manchmal kann die Klinodaktylie auch schmerzhaft sein.
Fällt diese Handfehlstellung nicht direkt bei der Geburt auf, kann der Arzt sie meist schon durch eine einfache Blickdiagnose diagnostizieren. Alternativ gibt es natürlich bildgebende Verfahren, wie Röntgen oder das fMRT, um feststellen zu können, ob und an welchem Glied ein Knochen falsch gewachsen ist.
Die Wachstumsfuge ist am Anfang ähnlich einer Klammer, woraus der Knochen eines Kindes noch wächst. Bei einem jungen Kind bis zu sechs Jahren kann man die gestörte Wachstumsfuge operativ mit einer sogenannten Resektion korrigieren, sodass die Fehlstellung von allein wieder herauswächst. Auf diese Weise kann der Arzt eine Drehung in die richtige Richtung um bis zu 20° erreichen.
Ist der Patient älter, kann der Mediziner ähnlich vorgehen, allerdings ist der Eingriff am Knochen für einen starken Effekt aufwendiger, was auch eine aufwendigere und längere Nachsorge bedingt.
Bei den chirurgischen Eingriffen entnimmt der Chirurg Knochenmaterial aus anderen Körperteilen, wie zum Beispiel aus Deinen Rippen oder dem Beckenkamm und zudem auch Fettgewebe. Dieses setzt er wieder am Gelenk ein.
Oft reicht eine konservative Therapie aus, nur bei starken Fällen, Fällen am Daumen oder einer stetigen Verschlechterung, raten Ärzte häufig zu einer Operation.
Bei der konservativen Therapie findet keine chirurgische Korrektur der Fehlstellung statt. Stattdessen kommen Orthesen zum Einsatz, die Deine Finger stützen und so durch das Wachstum sanft korrigiert.
Hat das Kind Schmerzen, sind die Finger oder Zehen um mehr als 20° abgewinkelt, oder ist der Daumen beeinträchtigt, ist eine Operation sinnvoll. Auch wenn das Greifen schwerfällt, ist eine möglichst frühe Operation angeraten. Ein früher Zeitpunkt ist ein guter Zeitpunkt, da sich die Klinodaktylie somit nicht mit der Zeit verschlimmern kann, und sogar das Kindeswachstum selbst als Chance nutzt. Daher ist eine Operation vor dem Grundschulalter am besten.
Die Operation ist mit einem Aufenthalt von bis zu drei Tagen im Krankenhaus verbunden. In einem etwa einstündigen Eingriff korrigiert der Chirurg die Knochen, indem er diese umsetzt, oder vielleicht sogar zuvor entnommenes Knochenmaterial neu einsetzt. Eine Alternative ist das Einsetzen von weicherem Fettgewebe, das die Fuge stützt und bei jüngeren Kindern die Fehlstellung durch das Wachstum des Kindes von allein ausgleicht. Ist die gewünschte Achskorrektur bei der Operation gelungen, findet anschließend oftmals eine Stabilisierung des Knochenglieds mithilfe von Drähten statt. Die Drähte muss der Arzt nach spätestens einem Monat wieder in einer kleineren Operation entfernen.
Die Auffälligkeit im Handskelett kann auf folgende Erkrankungen hinweisen:
Die Kamptodaktylie ist insofern der Klinodaktylie ähnlich, als sie die kleinen Finger betrifft. Hier spricht man allerdings von einer Beugekontraktur statt von einer Fehlstellung des Knochens, das heißt, dass vermutlich die Sehnen oder die Muskeln verantwortlich für die Spreizung des Fingers sind. Auch ist der Finger oft weniger verdreht, und mehr gebeugt als „Hammerfinger“. Die Kamptodaktylie wird ebenfalls oft vererbt und ist schon bei Kleinkindern vorhanden, allerdings kann man daran auch infolge eines Unfalls erkranken.
Neben der Klinodaktylie gibt es noch Dutzende weitere „-melien“ und „-daktylien“, die verschiedene Fehlbildungen von Extremitäten respektive Fingern beschreiben. Der Wortteil „-melie“ steht für „Gliedmaß“, „daktylos“ ist griechisch für Finger. Die Fehlstellungen der Gliedmaßen werden im Allgemeinen schon im Mutterleib entwickelt und die Schwere der Ausprägung kann sehr unterschiedlich ausfallen, mitunter auch kaum eine Beeinträchtigung darstellen. Ein weiterer interessanter Fall ist die Polysyndaktylie, bei welcher einzelne Finger „zu viel“ vorhanden sind. Von einer Tetramelie spricht die Medizin, wenn alle vier Gliedmaßen betroffen sind, und von einer Amelie, wenn gar keine Gliedmaßen ausgebildet sind. Die „Phokomelie“ hat mit den Contergan-Babys traurige Berühmtheit erlangt.
Der Arztbesuch zur Diagnose sowie die Therapie zahlt normalerweise die Krankenversicherung. Therapien, die notwendig für die schmerzfreie Bewältigung des Alltags sind, sind in der Regel ebenfalls eine Kassenleistung. Allerdings solltest Du zuvor bei Deinem Versicherungsträger anfragen, welche Behandlungen gedeckt sind. Da bei der Behandlung, und bei der Frage, ob überhaupt eine Therapie, geschweige denn ein operativer Eingriff sinnvoll sind, ein Handlungsspielraum der Eltern besteht, kann es sein, dass die Kasse eine als nicht notwendig eingestufte Behandlung nicht zahlt. Für die einzelnen Leistungen und Bestimmungen solltest Du Dich bei Deiner Versicherung informieren.
Klinodaktylie ist ein angeborenes Symptom, welches eine der häufigsten Fehlbildungen der Hand (oder auch der Zehen) betrifft. Sie kann – muss aber nicht – operativ korrigiert werden. Ein Kind mit Klinodaktylie wird statt mit geraden Fingern mit mindestens einem Finger, Daumen oder Zehen geboren, der verdreht ist. Meistens ist es einer, oder sogar beide, kleine Finger, die betroffen sind. Dies wird subjektiv als ästhetisch unschön betrachtet, was vor allem bei Kindern, deren soziale und psychische Entwicklung durch eine solche Erscheinung beeinträchtigt ist, eine relevante Rolle spielen kann. In schwerwiegenden Fällen kann die Klinodaktylie das Greifen beeinträchtigen. Obwohl sie oft isoliert, als eigenstehendes Symptom auftritt, kann sie auch auf eine andere Erkrankung hinweisen.
AUTOR
Dr. med. Simone Hermanns
Medizinische Expertin
CO-AUTOR
Maja Lechthaler
Online-Redaktion
Dieser Text wurde nach höchsten wissenschaftlichen Standards verfasst und von Medizinern geprüft.
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