Hyperemesis gravidarum (extreme Schwangerschaftsübelkeit)

Die Hyperemesis gravidarum beschreibt eine schwere Form der häufig auftretenden Schwangerschaftsübelkeit. Während von der „normalen“ Schwangerschaftsübelkeit über die Hälfte aller Frauen betroffen ist, tritt die Hyperemesis gravidarum deutlich seltener auf und betrifft in etwa ein bis zwei Prozent aller Schwangerschaften. Da es durch häufiges Erbrechen über mehrere Tage und Wochen hinweg zum ausgeprägten Flüssigkeitsverlust bis hin zur Dehydratation kommen kann, besteht bei Verdacht auf eine Hyperemesis gravidarum unbedingt Behandlungsnotwendigkeit. Nicht selten müssen betroffene Schwangere auch stationär aufgenommen werden. Das Krankheitsbild ist in der Regel rasch und nebenwirkungsarm behandelbar, häufig kommt es innerhalb weniger Tage zur Besserung der Beschwerden.


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Hyperemesis gravidarum (extreme Schwangerschaftsübelkeit)

Was versteht die Medizin unter einer Hyperemesis gravidarum?

Unter einer Hyperemesis gravidarum wird eine während der Schwangerschaft verstärkte bis unstillbare Neigung zum Erbrechen verstanden.
 
Nicht jedes Erbrechen ist sofort eine Hyperemesis gravidarum, vielmehr ist ein gewisses Maß an Übelkeit und morgendlichen Brechattacken während des ersten Schwangerschaftsdrittels normal und dementsprechend nicht besorgniserregend. Man unterscheidet daher eine „normale“ Form (Emesis gravidarum) und die verstärkte bis lebensbedrohliche Form (Hyperemesis gravidarum). Eine exakte Grenze zwischen den beiden Diagnosen gibt es allerdings nicht, denn hier spielen neben der Häufigkeit des Erbrechens und unterschiedlichen Laborparametern vor allem auch der persönliche Leidensdruck und die genaue Symptomatik eine Rolle.
 
Die Hyperemesis gravidarum, also das starke bis unstillbare Erbrechen, kann wiederum in zwei Grade eingeteilt werden:
 

  • Grad 1: Beschreibt vor allem die vordergründige Symptomatik. Es treten Übelkeit, Erbrechen, Krankheitsgefühl und anhaltende Schwäche auf. Der Stoffwechsel ist noch nicht eingeschränkt, die Werte im Blut sind daher normal.
  • Grad 2: Zusätzlich zu der beschriebenen Symptomatik des 1.Grades kommt es zu Stoffwechselentgleisungen, die ohne Behandlung lebensbedrohliche Folgen haben können.

Wann tritt eine Hyperemesis gravidarum auf?

Das “normale” Schwangerschaftserbrechen tritt bei Schwangeren vor allem in der Frühschwangerschaft, meist ab der fünften bis sechsten Woche, auf und führt vor allem morgens zu starker Übelkeit und zum Erbrechen. Die Symptome lassen in der Regel nach der vierzehnten Schwangerschaftswoche nach.
 
Im Gegensatz dazu kann die Hyperemesis gravidarum auch über die vierzehnte Woche hinaus bestehen, somit also auch während des zweiten Trimenons vorhanden sein. Die Übelkeit und der Erbrechensdrang bestehen meist nicht nur morgens, sondern ziehen sich über den gesamten Tag. Seltener kommt es vor, dass Betroffene auch nachts erbrechen müssen.

Welche Ursachen hat die Hyperemesis gravidarum?

Die genauen Ursachen, die zur Entstehung einer übermäßigen Schwangerschaftsübelkeit und dem starken Erbrechen führen, sind nicht vollständig geklärt. Angenommen wird in erster Linie ein hormoneller Hintergrund. Unter Verdacht steht insbesondere das Hormon Beta-HCG, dessen Produktion wenige Tage nach der Befruchtung der Eizelle in die Höhe schnellt. Beta-HCG ist für die regelrechte Entwicklung des Embryos und die Funktion der Plazenta von hoher Bedeutung und ist jenes Hormon, das beim klassischen Schwangerschaftstest gemessen wird. Auch wird vermutet, dass hohe Östrogenspiegel, Progesterone und vor allem Schilddrüsenhormone eine wichtige Rolle spielen. Letzterer Verdacht liegt nahe, da Schwangere häufig an einer vorübergehenden Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) leiden.
Genetische Faktoren scheinen ebenfalls eine Rolle zu spielen, so wird angenommen, dass das Schwangerschaftserbrechen auch mit einer anlagebedingten erhöhten Sensitivität auf die erhöhten Beta-HCG- oder Östrogenspiegel zusammenhängt.

Was sind die Symptome einer Hyperemesis gravidarum?

Die klassische Symptomatik besteht aus starkem Unwohlsein, Übelkeit und mehrmals täglichem Erbrechen, bei der Hyperemesis auch bis zu zwanzig mal am Tag. Schwere Formen des Schwangerschaftserbrechens führen zur Dehydratation, die folglich zu Elektrolytentgleisungen und Nährstoffmängel führen kann. Störungen der Konzentrationen von Natrium und Kalium im Blut begünstigen Blutdruckentgleisungen und Herzrhythmusstörungen und müssen daher rasch behandelt werden. Während einer Schwangerschaft ist insbesondere die Konzentration von Vitamin-B1 wichtig, die im Rahmen der Hyperemesis gravidarum durch das häufige Erbrechen ebenfalls fallen kann. Die Gefahr des Vitamin B1 Mangels ist die Entwicklung einer sogenannten Wernicke-Enzephalopathie beim Kind, eine Erkrankung des Gehirns, die mit schweren neurologischen Symptomen einhergeht.
 
Die anhaltende Übelkeit geht bei vielen Betroffenen mit Appetitverlust und einer deutlich verminderten Nahrungsaufnahme einher – Müdigkeit, Energielosigkeit und Schwäche sind die Folge. Bei längeren Hungerzuständen kommt es nicht selten zur Gewichtsabnahme, zudem besteht die Gefahr einer Entgleisung des Säure-Basen-Haushaltes (Ketoazidose).

Welche Risikofaktoren begünstigen eine Hyperemesis gravidarum?

Da die Ursachen einer Hyperemesis gravidarum bislang nicht vollständig bekannt sind, sind auch Risikofaktoren nur schwer zu bestimmen und ergeben sich bislang aus Beobachtungen. Der Zusammenhang zwischen der Hyperemesis gravidarum und möglichen hormonellen Ursachen wurde insbesondere daraus gezogen, dass Faktoren oder Erkrankungen, die mit einer höheren hormonellen Belastung einhergehen, zu stärkerer Übelkeit und Erbrechen führen. Dazu zählen beispielsweise Mehrlingsschwangerschaften oder Erkrankungen wie die Blasenmole. Im Umkehrschluss sind diese Faktoren als Risikofaktoren zu werten. Als weitere mögliche Risikofaktoren gelten ein erhöhter Body-Mass-Index, bekannte Allergien, sowie ein geringes Alter der werdenden Mutter. Auch vorbestehende Erkrankungen des Magens, wie eine chronische Gastritis oder eine Gastritis, die durch das Bakterium Helicobacter pylori verursacht wird, scheinen das Risiko für das Auftreten eines verstärkten Schwangerschaftserbrechens zu erhöhen.

Ist eine Hyperemesis gravidarum für mich und mein Baby gefährlich?

Bei sehr ausgeprägten Formen, die mit Mangelerscheinungen aufgrund der verminderten Nahrungsaufnahme und Entgleisungen des Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushaltes einhergehen, besteht rascher Handlungsbedarf. Länger anhaltende Mangelzustände können Störungen des Kreislaufsystems (Bluthochdruck) begünstigen, die wiederum ein erhöhtes Risiko für eine Präeklampsie darstellen.

Auf das ungeborene Kind können sich länger andauernde Mangelerscheinungen insofern auswirken, dass das Risiko von Frühgeburten und einer verzögerten körperlichen Entwicklung mit erniedrigtem Geburtsgewicht erhöht ist.

Wann sollte ich mit Schwangerschaftsübelkeit zum Arzt gehen?

Morgendliche Übelkeit und Erbrechen im ersten Schwangerschaftsdrittel sind bis zu einem gewissen Maß normal und benötigen keine Abklärung. Allerdings ist es allein durch die Symptomatik sehr schwierig, eine Grenze zwischen Emesis und Hyperemesis gravidarum zu ziehen, da individuelles Empfinden und Leidensdruck sehr unterschiedlich sein können. Daher gilt: Lieber einmal öfter beim betreuenden Gynäkologen nachzufragen, als zu lange zuzuwarten.
 
Spätestens bei einer Häufung der Brechattacken, verstärkter Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Gewichtsverlust solltest Du Dich an Deinen behandelnden Gynäkologen oder an das zur Geburt gemeldete Spital wenden.

Wie diagnostiziert der Arzt eine extreme Schwangerschaftsübelkeit?

Meist handelt es sich um eine sehr eindeutige Diagnose, die sich allein durch die Schilderung der Symptomatik der Patientin ergibt. Dennoch müssen andere Ursachen wie beispielsweise eine Entzündung des Magens (Gastritis) oder eine Entzündung der Gallenblase (Cholezystitis) ausgeschlossen werden.
 
Um die Diagnose abzusichern und vor allem den Schweregrad einschätzen zu können, wird eine Bestimmung des Urins durchgeführt und eine Blutabnahme muss erfolgen, durch die abgeschätzt werden kann, wie stark ausgeprägt die Stoffwechselentgleisungen und Mangelerscheinungen.
 
Routinemäßig wird Dein behandelnder Arzt zudem auch einen Ultraschall durchführen, der sowohl dazu dient, alle Organsysteme des Bauchraumes durchzuscannen, um nach differentialdiagnostischen Ursachen oder Begleiterscheinungen zu suchen, als auch um die regelrechte Entwicklung Deines Kindes einschätzen zu können.

Wie wird eine Hyperemesis gravidarum therapiert?

Die leichtgradige Form der Schwangerschaftsübelkeit gilt als ungefährlich und bedarf daher in der Regel keiner Therapie. Falls notwendig, könntest Du nach ärztlicher Absprache Antiemetika (Medikamente, die gegen den Brechreiz wirken) oder magenschonende Substanzen einnehmen.
Gängige Präparate gegen Übelkeit sind das Antihistaminikum Dimenhydrinat und der Dopamin-Blocker Metoclopramid.
 
Die Hyperemesis gravidarum stellt hingegen eine bedrohliche Erkrankung dar, die eine rasche Abklärung und Behandlung erfordert. Nach erfolgter Diagnostik und bestätigter Diagnose werden im Rahmen eines stationären Aufenthaltes Übelkeit und Erbrechen behandelt und Mangelerscheinungen durch spezielle Infusionen ausgeglichen. Verabreicht wird meist ein Cocktail aus Flüssigkeits-, Glukose, Elektrolyt- und Vitaminsubstitution. Darüber hinaus können intravenöse Medikamente verabreicht werden, die Sodbrennen und Schmerzen lindern und die Magensäureproduktion reduzieren.
 
Solange das Erbrechen während einer begonnenen Therapie noch anhält, sollte idealerweise eine komplette Nahrungskarenz eingehalten werden, sodass sich der Verdauungstrakt beruhigen kann. Mittels Glukoseinfusionen kann der Energiehaushalt aufrechterhalten werden, sodass eine weitere Gewichtsabnahme verhindert werden kann. Im Rahmen des stationären Aufenthaltes kann dann nach Besserung der Symptomatik ein langsamer Aufbau der Ernährung erfolgen.

Wie kann ich selbst die Beschwerden einer Hyperemesis gravidarum lindern?

Bei leichter Schwangerschaftsübelkeit solltest Du insbesondere auf regelmäßige Flüssigkeitszufuhr und magenschonende Speisen (Verzicht auf sehr fettige, saure oder scharfe Lebensmittel) achten. Empfehlenswert sind mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt. Achte insbesondere darauf, vor dem Schlafengehen keine größeren Mengen zu Dir zu nehmen.
 
Einige Kräuter wie Kamille oder Pfefferminze sowie auch frischer Ingwer zeigen eine beruhigende Wirkung auf den Magen-Darm-Trakt und können beispielsweise in Form eines Tees Wirkung zeigen.
 
Versuche, intensive Gerüche wie zum Beispiel von frischem Fisch oder stark riechenden Käse zu vermeiden, um Übelkeit und Erbrechen nicht zu triggern.
Auch komplementäre Methoden wie Akupunktur, Akupressur, Massagen und Triggerpunkttherapien haben sich in manchen Fällen als äußerst wirkungsvoll gegen die Übelkeit gezeigt.
 
Kommt es dennoch zu keiner Linderung der Symptomatik und besteht der Verdacht auf eine Hyperemesis gravidarum, solltest Du unbedingt ärztliche Hilfe suchen – Hausmittelchen oder Eigenbehandlungversuche zögern die Problematik nur hinaus und stellen keine adäquate Lösung dar!

Ab wann klingt die Hyperemesis gravidarum wieder ab?

Sowohl die Symptome der Emesis als auch der Hyperemesis gravidarum klingen in den meisten Fällen ab der vierzehnten Schwangerschaftswoche wieder ab, selten jedoch können sie auch bis zum dritten Trimenon anhalten.

Welche Folgen hat eine Hyperemesis gravidarum für Betroffene?

Wird die Hyperemesis gravidarum früh erkannt und behandelt, ist weder mit bleibenden Schäden für betroffene Mütter noch für den Nachwuchs zu rechnen. Längerfristig unerkannt bleibt die Hyperemesis so gut wie nie, da die Symptome sehr belastend und einschränkend sind.
 
Die ständige Übelkeit, das Erbrechen und Unwohlsein bedeuten für Betroffene eine deutliche Einschränkung in ihrem Wohlbefinden und in alltäglichen Erledigungen, viele bevorzugen es, in der Nähe einer Toilette zu bleiben. Müdigkeit und Schwäche führen zu Konzentrationsproblemen, sodass meist ein Krankenstand notwendig ist. Je länger die Symptomatik andauert, desto schwieriger wird es, die Situation zu ertragen – für viele Betroffene ist die psychische Belastung groß.

Wie viel kostet die Behandlung einer Hyperemesis gravidarum?

Wie viel die Behandlung einer Hyperemesis gravidarum kostet, hängt insbesondere davon ab, welche Behandlungsschritte gesetzt werden müssen. Da dies meist im Rahmen des stationären Aufenthaltes erfolgt, gibt es meist keine genauen Auflistung der Kosten. Für verschreibungspflichtige Medikamente fällt meist nur die Rezeptgebühr an. Die Kosten für komplementärmedizinische Behandlungsschritte wie Akupunktur oder Akupressur sind vom behandelnden Arzt abhängig und beginnen in der Regel bei 80 Euro aufwärts.

Übernimmt die Krankenkasse die Kosten für die Behandlung einer Hyperemesis gravidarum?

Da die Hyperemesis gravidarum sowohl für Mutter als auch Kind einen kritischen Zustand darstellen kann und unbedingt behandlungsbedürftig ist, werden in der Regel alle Therapiemaßnahmen im Rahmen des stationären Aufenthaltes sowie weiterführende Medikamente von den Krankenkassen übernommen. Komplementärmedizinische Maßnahmen sind hingegen privat zu zahlen.