Poliomyelitis (Kinderlähmung)

Die Kinderlähmung, oder auch Polio oder Poliomyelitis genannt, ist eine hochansteckende Infektionskrankheit. Ab der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts breitete sich die Krankheit immer wieder seuchenartig aus. Dank konsequenter Impfmaßnahmen konnte sie weltweit fast ausgerottet werden, doch leiden noch Zehntausende an den Spätfolgen der Kinderlähmung. In Gebieten mit einer unzureichenden Durchimpfungsrate tritt die Krankheit jedoch weiterhin auf. In Deutschland, Österreich und in der Schweiz ist Kinderlähmung meldepflichtig.


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Zuletzt aktualisiert: 7. August, 2023



Wichtige Punkte zusammengefasst

Das Wichtigste zusammengefasst

Polio oder Kinderlähmung ist eine hoch ansteckende, mitunter tödlich verlaufende Infektionskrankheit, die von Polio-Viren verursacht wird


Typische Symptome sind anfänglich grippeähnliche Beschwerden. In einem späteren Verlauf kann es zu einer Hirnhautentzündung oder zu Lähmungen kommen. Im schlimmsten Fall führt die Krankheit zum Tod


Der Arzt diagnostiziert die Krankheit anhand der Beschwerden und Labortests


Polio kann durch eine Impfung vorgebeugt werden

Was versteht die Medizin unter einer Poliomyelitis?

Unter einer Poliomyelitis verstehen Mediziner eine akute fieberhafte Infektion, die durch das Poliovirus hervorgerufen wird. Der Erreger gehört zur Familie der Enteroviren, welche in den 3 Untertypen Typ 1, Typ 2 und Typ 3 vorkommen.
 
Der Typ 1 verursachte die häufigsten Epidemien und führt am ehesten zu Lähmungen. Dabei befällt das Virus die Motoneurone, also die Nervenzellen, die die Muskulatur innervieren und für die willkürliche Bewegung des Menschen verantwortlich sind.
 
Die Krankheit wird im direkten Kontakt durch Schmier- oder Tröpfcheninfektion übertragen. Schlechte hygienische Bedingungen begünstigen eine Infektion ebenso wie beschwerdefreie Verläufe.
 
Symptomatisch unterscheiden Ärzte drei Stadien der Polio: die abortive Poliomyelitis mit unspezifischen leichten Beschwerden, die nicht-paralytische Poliomyelitis, bei der die Erkrankung auf das zentrale Nervensystem übergreift und die paralytische Poliomyelitis, die durch das Auftreten einer schlaffen Lähmung gekennzeichnet ist.
 
Obwohl das Virus im Labor nachweisbar ist, diagnostizieren viele Ärzte die Krankheit aufgrund der körperlichen Beschwerden.

Poliomyelitis betrifft vor allem Kinder, deshalb der Name

Wie häufig ist die Kinderlähmung?

Von Anfang des 20. Jahrhundert bis in die 80er Jahre war Polio eine gefürchtete Krankheit, die zu körperlichen Lähmungen oder sogar zu einer Atemlähmung führen konnte.
 
Kinder werden am häufigsten vom Virus befallen, jedoch können auch Erwachsene Polio bekommen. Vor allem dann, wenn sie in ihrer Kindheit schon einmal an einem anderen Typ des Erregers erkrankt waren. Derzeit gibt es eine Impfung, die gegen alle drei Typen immunisiert.

Wie wird die Poliomyelitis übertragen?

Der Erreger gelangt entweder durch Schmier- oder Tröpfcheninfektion über den Mund oder die Nase in den Körper oder über verunreinigte Speisen, Gegenstände oder verschmutztes Wasser.
 
Nach der Ansteckung wandert das Virus zuerst in den Magen-Darm-Trakt und von dort aus in die Lymph- und Blutgefäße. Über die Adern breitet es sich im ganzen Körper aus und wandert zuletzt in das zentrale Nervensystem und das Gehirn, wo es zu Nervenschäden führen kann.
 
Die Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Krankheit, die sogenannte Inkubationszeit, beträgt zwischen drei und 14 Tage.

Was sind die Symptome einer Kinderlähmung?

Bei mehr als 95 Prozent der Erkrankten verläuft eine Infektion symptomlos. Sie bilden Antikörper, jedoch nur gegen den Virus-Typ, mit dem sie sich angesteckt haben. Wenn Du gegen alle Typen geschützt sein möchtest, musst Du Dich impfen lassen.
 
Nach der Infektion kommt es bei manchen Patienten nach etwa drei bis 35 Tagen zu ersten Krankheitssymptomen wie Fieber, Husten, Hals-, Kopf- und Gliederschmerzen. Diese Beschwerden klingen im Normalfall wieder ab, treten jedoch ein bis zwei Wochen später wieder auf. Das zentrale Nervensystem wird aber nicht befallen. Mediziner sprechen von der sogenannten abortiven Polio.
 
In seltenen Fällen befallen die Viren Nervenzellen im Rückenmark und im Gehirn. Einige Patienten bekommen dann eine Hirnhautentzündung mit Kopf-, Rücken- und Gliederschmerzen, eine steife Wirbelsäule, Bewusstseinseintrübung, Erbrechen, Lichtempfindlichkeit, Nackenstarre oder sogar psychische Veränderungen. Diese Symptome sind Anzeichen dafür, dass das Virus auf das zentrale Nervensystem übertritt, was medizinisch unter einer nicht-paralytischen Poliomyelitis bekannt ist.
 
Ganz selten treten vor allem Lähmungserscheinungen an Schultergürtel- und Beinmuskeln auf. Diese Lähmungen können plötzlich oder schleichend kommen und im schlimmsten Fall auch die Schluck- und Atemmuskulatur betreffen. Diese schwere Form der Kinderlähmung bezeichnen Ärzte als paralytische Poliomyelitis. Sie hinterlässt oft Behinderungen, da sich manche Lähmungen nicht mehr zurückbilden, Muskeln verkrümmen und Gliedmaßen sich verformen können.

Welche Ursachen hat Polio?

Polio wird durch Polio-Viren verursacht, die der Familie der Enteroviren angehören und nur den Menschen als Wirten haben. Übertragen wird dieser Erreger über den Speichel oder über mit Kot verunreinigtes Essen und Wasser.
 
Polioviren leben und vermehren sich in der Darmschleimhaut und dem Lymphgewebe der Darmwand. Von dort wandern sie über die Blutbahnen in den restlichen Körper und können das zentrale Nervensystem, also das Rückenmark und das Gehirn, befallen.
 
Der Erreger verursacht Entzündungen der Nervenzellen, wobei vor allem jene betroffen sind, die für die Bewegung von Armen und Beinen zuständig sind. Verlaufen diese Entzündungen zu stark, kann die Nervenzelle für immer geschädigt werden und die Muskeln verlieren ihre Verbindung zum Gehirn. Die dadurch entstehenden Lähmungen sind oft nicht mehr umkehrbar und führen zu einer lebenslangen Behinderung.

Eine Poliomyelitis kann zu Lähmungen und Bewegungseinschränkungen führen.

Wie ist der Krankheitsverlauf bei einer Poliomyelitis?

In etwa 90 bis 95 Prozent der Fälle verläuft die Krankheit relativ harmlos. Patienten bekommen leichte grippeähnliche Beschwerden, welche nach wenigen Tagen ohne Folgen abheilen.
 
Bei fünf bis zehn Prozent der Betroffenen kommt es jedoch innerhalb von ein bis zwei Wochen zu einer Hirnhautentzündung, die Lähmungen zur Folge haben kann. Diese Phase wird als präparalytisches Stadium bezeichnet.
 
Etwa zwei Tage nach diesem Stadium können plötzliche Lähmungen auftreten, die nach vier bis fünf Tagen ihren Höhepunkt erreichen und sich danach zurückbilden. Diese Rückbildung muss aber nicht vollständig sein, so leiden circa 25 Prozent der Patienten unter leichten und 25 Prozent unter schweren Muskelschäden.
 
Mithilfe einer intensiven Physiotherapie kann auch erst nach zwei Jahren mit einer spontanen Rückbildung gerechnet werden. Nur in sehr seltenen Fällen kommt es innerhalb von Tagen zum Tod. Insbesondere ungeimpfte Säuglinge, Jugendliche und Erwachsene zeigen häufig einen schweren, äußerst schmerzhaften Verlauf oder sterben an den Folgen der Krankheit.
 
Manchmal treten aber erst Jahre oder sogar Jahrzehnte nach einer vermeintlich überstandenen Polio erneut Muskelschwächen auf. Dieses Phänomen nennen Mediziner ein Post-Polio-Syndrom.
 
Typische Symptome sind Müdigkeit, Gelenk- und Muskelschmerzen, Muskelschwund und Atembeschwerden. Dabei können sich schon bestehende Lähmungen verschlimmern oder neue auftreten. In sehr schweren Fällen kann es zu einem Atemstillstand kommen. Ärzte erklären dies damit, dass gesunde Nachbarzellen die Arbeit der abgestorbenen Nervenzellen übernehmen, mit der Zeit überlastet werden und früher altern.

Wie diagnostiziert der Arzt eine Kinderlähmung?

In einem ersten Schritt fragt Dich der Arzt nach Deinen Beschwerden und deren Verlauf sowie über Deine bisherige Krankheits- und Reisegeschichte. Danach nimmt der Mediziner einen Abstrich aus Deinem Rachen und schickt diesen gemeinsam mit einer Stuhlprobe in ein Labor, wo das Virus nachgewiesen werden kann. Auch ein Bluttest zeigt mögliche Antikörper gegen den Erreger.
 
Bei einem schwereren Verlauf führt der Mediziner eine Lumbalpunktion bei dir durch, um zu testen, ob das zentrale Nervensystem befallen wurde. Dabei entnimmt er Dir im Bereich der Lendenwirbelsäule mit einer Hohlnadel „Gehirn- Rückenmark- Flüssigkeit“. Im Labor können Spezialisten diese Flüssigkeit nach dem Erbgut (RNA) des Erregers untersuchen.

Wie wird eine Poliomyelitis behandelt?

Der behandelnde Arzt muss bei Verdacht eine Meldung an das zuständige Gesundheitsamt machen und Dich in ein Krankenhaus einweisen. Dort wirst Du isoliert und unter Einhaltung strikter Hygienemaßnahmen versorgt. Erst nach einem negativen Laborbefund heben die Mediziner die Quarantäne wieder auf.
 
Die Ursache selbst kann bis heute nicht behandelt werden, jedoch bekommst du entzündungshemmende und schmerzlindernde Medikamente gegen Deine Beschwerden.
 
Treten bei Dir Symptome einer Hirnhautentzündung auf, kommst Du auf die Intensivstation. Dort überwachen Dich Ärzte und Krankenpfleger laufend und Du kannst auch schnell beatmet werden, falls es zu einer Lähmung der Atemmuskulatur kommt. Auch andere Komplikationen wie Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen und Blasenentleerungsstörungen können Ärzte dort schneller behandelt.
 
Mit der Physiotherapie kannst Du nach Rückgang der Beschwerden bereits nach zwei bis vier Wochen beginnen. Nur durch intensives Training kannst Du Spätschäden reduzieren und die Prognose für eine Rückbildung positiv beeinflussen.

Welche Folgen hat eine Kinderlähmung für Betroffene?

Grundsätzlich heilt eine Kinderlähmung vollständig aus, jedoch kommt es in seltenen Fällen zu bleibenden Muskelschäden und Behinderungen. Nach Jahren oder Jahrzehnten kann zudem ein Post-Polio-Syndrom mit Müdigkeit, Muskelschwäche, Schmerzen und weiteren Lähmungen auftreten. Betroffene brauchen dann oft Unterstützung im Alltag und sollten ihr Leben lang physiotherapeutische Übungen praktizieren, um ihren Körper beweglich zu halten. 

Einer Poliomyelitis kann am besten durch eine Impfung vorgebeugt werden.

Wie kann ich einer Poliomyelitis vorbeugen?

Eine konsequente Hygiene kann Kinderlähmung vorbeugen, doch die beste Vorsorge ist die Impfung.
 
Schon Säuglinge werden im Zuge der Impfempfehlung mit einem Sechsfach-Kombinationsimpfstoff zwischen dem zweiten und vierten Monat das erste Mal geimpft. Diese Impfung wiederholt sich nach vollendetem dritten Monat. Die dritte Teilimpfung erfolgt ab dem vollendeten vierten Monat und der vierte Durchgang folgt dann nach dem vollendeten elften bis 14. Monat.
 
Im Schulalter zwischen neun und sechzehn Jahren bekommen die Kinder dann die Auffrischimpfung. Damit ist die Immunisierung komplett. Eine Auffrischung sollte nach zehn Jahren erfolgen, wenn in ein Endemiegebiet eingereist wird.
 
Ansonsten ist nach vollständiger Grundimmunisierung im Kindesalter und mindestens einer Auffrischung im Jugend- oder Erwachsenenalter aktuell keine Auffrischimpfung empfohlen.

Übernehmen die Krankenkassen die Kosten?

In Österreich, Deutschland und der Schweiz ist die Schutzimpfung im kostenfreien Impfprogramm enthalten. Solltest Du zu einem Wahlarzt gehen, fallen eventuell Ordinationskosten an. Informationen dazu erhältst Du von Deinem Arzt.

 

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