Morbus Bechterew

Benannt nach dem russischen Neurologen Wladimir Bechterew, ist Morbus Bechterew heute vermehrt auch als Spondylitis ankylosans (aus dem Griechischen übersetzt “gebogener Wirbel”) bekannt, eine dem rheumatischen Formenkreis zugehörige Erkrankung, die vor allem die Wirbelsäule und angrenzende Wirbel befällt. Anhaltende Rückenschmerzen und Morgensteife im jungen Alter können hinweisend sein. Eine Heilung gibt es bislang nicht, aber die zur Verfügung stehenden Therapie werden immer besser.


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Zuletzt aktualisiert: 11. September, 2023



Wichtige Punkte zusammengefasst

Das Wichtigste zusammengefasst

Morbus Bechterew ist eine chronisch-entzündliche rheumatische Erkrankung, die die Wirbelsäule befällt und durch anhaltende Entzündungsreaktionen zu strukturellen Veränderungen führt


Symptomatisch im Vordergrund steht der chronische Schmerz, hinzukommen Morgensteifigkeit, Bewegungseinschränkungen und mit den Jahren eine zunehmende Vorwärtskrümmung der Wirbelsäule mit ausgeprägter Fehlhaltung. Darüber hinaus ist die Erkrankung mit weiteren Entzündungsreaktionen im Körper vor allem in den Augen, an der Haut und im Magen-Darm-Trakt verbunden


Die genaue Ursache und Entstehung der Erkrankung ist bis heute ungeklärt. Angenommen wird ein Zusammenspiel aus autoimmunologischen, viralen und umweltbedingten Faktoren


Die Therapie erfolgt vorwiegend medikamentös, begleitet von Bewegungstherapie und Physiotherapie, wodurch die Symptome der meisten Patienten bewältigbar sind. Nur in seltenen Fällen muss eine sogenannte Aufrichtungsoperation durchgeführt werden, die zwar die Lebensqualität maßgeblich verbessert allerdings mit ausgeprägten Komplikationen verbunden sein kann

Hinweis: Dieser Beitrag dient zur Information über Morbus Bechterew. Es ist jedoch möglich, dass einzelne der hier aufgeführten Leistungen noch nicht von unseren Ärzten angeboten werden. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, Dir bald für weitere Behandlungsfelder einen Spezialisten bieten zu können. Bei Fragen zu unserem Leistungsspektrum kannst Du Dich gerne jederzeit bei uns melden!

Was versteht die Medizin unter Morbus Bechterew?

Morbus Bechterew zählt zu den chronisch-entzündlichen rheumatischen Erkrankungen, tritt im eher jüngeren Alter (ab dem ca. 15. Lebensjahr) erstmals auf und befällt vorwiegend die Wirbelsäule.

Morbus Bechterew

Wie sehen die Symptome von Morbus Bechterew aus?

Die chronische Entzündung der Wirbelsäulen- und Beckengelenke führt allen voran zu sehr schmerzhaften Zuständen und Bewegungseinschränkungen. Diese beginnen meist im Bereich der Gelenke zwischen Beckenknochen und Kreuzbein und treten vor allem in den frühen Morgenstunden und bei Aufstehen auf. Dominant ist neben den Schmerzen das Gefühl der Steifigkeit, beides bessert sich allerdings durch Bewegung. Mit fortschreitender Erkrankung breiten sich die Symptome auf die gesamte Wirbelsäule aus. Zusätzlich kann die andauernde Entzündungsreaktion neben Gelenken auch andere Strukturen wie Sehnen (Achillessehne, Sehnen der Fußsohle) betreffen und mit entzündlichen Veränderungen der Augen, des Magen-Darm-Traktes, der Haut (Psoriasis) oder des Herzens einhergehen.

Wie erfolgt die Diagnose von Morbus Bechterew?

Die Diagnose erfolgt in der Regel radiologisch, durch die Feststellung von für die Erkrankung sehr typische Veränderungen der Wirbelsäulengelenke, und anamnestisch, durch die Erfragung typischer Symptome. Bluttests zeigen meist keine Auffälligkeiten, der Rheumafaktor ist negativ.

Welche Ursache hat Morbus Bechterew?

Ein genaues Verstehen der Ursachen der Erkrankung ist bis heute ausständig. Die Wissenschaft nimmt an, dass es sich um einen Immundefekt handelt, wobei nicht eine klassische Autoimmunerkrankung gemeint ist, sondern von einer durch Umweltfaktoren und Viren ausgelösten, immunmediierte und autoentzündlichen Erkrankung ausgegangen wird. Es scheint wie bei anderen ähnlichen Erkrankungen das HLA-B27-Gen eine wichtige Rolle im Entstehungsprozess zu spielen. Das genetische und daher auch erbliche Faktoren beteiligt sind, ergibt sich auch durch die Beobachtung eines gehäuften Auftretens innerhalb von Verwandtschaften.

Wer ist am häufigsten von Morbus Bechterew betroffen?

Ca 0,5 % der österreichischen Bevölkerung leidet an Morbus Bechterew, da der Weg bis zur eindeutigen Diagnosestellung ein sehr langer ist, sich meist über mehrere Jahre zieht und die Symptome bzw. die Schwere der Erkrankung sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann, könnte die Dunkelziffer allerdings höher liegen. Ein erstmaliges Auftreten der Krankheit erfolgt wie bereits erwähnt in sehr jungem Alter, meist zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr, und begleitet die Betroffenen bis zu ihrem Lebensende. Männer sind häufiger betroffen als Frauen, sie leiden dabei oftmals auch unter einer stärkeren Symptomatik.

Morbus Bechterew

Welche Folgen hat Morbus Bechterew für den Betroffenen?

Die Folgen und Auswirkungen sind aufgrund eines sehr variablen Krankheitsverlaufes recht unterschiedlich. Es werden drei unterschiedliche Verlaufsformen differenziert:

Spontaner Krankheitsstillstand
Bei dieser Form sistiert die Krankheit von selbst, meist im noch sehr frühen Stadium. In einem solchen Fall ist kaum mit Langzeitfolgen zu rechnen und die Patienten können meist ein „normales“ Leben führen.

Schubhafter Verlauf
Hierbei kommt es zu Phasen mit sehr gravierender Symptomatik und starken Entzündungssymptomen, die sich mit beschwerdefreien Intervallen abwechseln.

Kontinuierlicher Verlauf
Bei dieser Formel erleben die Patienten eine kontinuierliche Verschlechterung ihres Zustandes, ohne dass Phasen der Erleichterung zu erwarten sind.

Vor allem bei Patienten der Gruppe 2 und 3 steht der im Verlauf schlimmer werdende und sich auf den ganzen Körper ausbreitende Schmerz im Vordergrund, der ohne gute medikamentöse Einstellung die wohl größte Einschränkung und Komplikationen ist. Die Schmerzmaxima bestehen meist nachts und in der Früh, weshalb die meisten Patienten mit Morbus Bechterew über Schlafmangel, chronische Müdigkeit, Leistungsabfall und Konzentrationsschwäche klagen. Bei schweren Verlaufsformen kommt es daher meist zu einer sehr ausgeprägten Einschränkung der Lebensqualität.

Hinzu kommt, dass durch die chronische Entzündungsreaktion in den Gelenken, diese zunehmend zur Versteifung neigen infolgedessen die Beweglichkeit massivst eingeschränkt wird. Nach langjährigen Verlauf nehmen Morbus Bechterew Patienten eine typische Körperhaltung (Katzenbuckel) ein, die eben auf diese Versteifung und zusätzlich muskuläre Verspannungen zurückzuführen ist. Die Knochen der Patienten werden zunehmend porös, wodurch Knochenbrüche um einiges leichter auftreten als bei gesunden Menschen.

Oben beschriebene begleitende Symptome wie Sehnenentzündungen, Psoriasis und Augenentzündungen führen zu einer zusätzlichen Minderung der Lebensqualität, da einerseits die Beweglichkeit noch mehr eingeschränkt wird, andererseits Symptome wie Juckreiz, Verschlechterung der Sehkraft und Lichtscheue auftreten.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei Morbus Bechterew?

Grundsätzlich sollte ein multidisziplinäres Vorgehen gewählt werden, die Behandlung des Morbus Bechterew Fuß beruht dabei auf mehreren Säulen:

Schmerztherapie
Da Morbus Bechterew Patienten zu den chronischen Schmerzpatienten gehören, ist eine adäquate schmerzmedikamentöse Einstellung unbedingt von Nöten. Dabei kommt die sehr beliebte Gruppe der NSAR (nichtsteroidaler Antirheumatika) zum Einsatz. Beispiele sind Diclofenac oder Indometacin. Unter einer solchen Therapie ist allerdings eine regelmäßige Kontrolle der Nierenfunktion anzuraten.

Morbus Bechterew

Immunmodulierende Therapie
Unter einer immunmodulierenden Therapie versteht der Mediziner Medikamente, die das überaktive Immunsystem gezielt einschränken, wobei Angriffspunkte gewählt werden, die nicht zum völligen Immunversagen führen. Bei dieser Therapieform kommen sogenannte Biologika, darunter versteht man labortechnisch hergestellte Antikörper, gegen bestimmte Proteine oder Rezeptoren zum Einsatz. Diese Antikörpertherapie hat in den letzten 15 Jahren die Behandlung des Morbus Bechterew revolutioniert und die Zahl der sehr schweren Erscheinungsbilder maßgeblich senken können. Da Morbus Bechterew Patienten ein stark erhöhtes Risiko für Osteoporose haben, sollte auch hier medikamentös interveniert werden.

Physiotherapie
Eine langjährige physiotherapeutische Begleittherapie, regelmäßige Dehnübungen, Bewegungstherapie und Gymnastik können die Beweglichkeit der Patienten erhalten und helfen, starken Verkrümmungen der Wirbelsäule vorzubeugen.

Zusätzliche Therapiemöglichkeiten
Alternative Methoden werden beispielsweise wärmetherapeutische Maßnahmen, Akupunktur, traditionelle chinesische Medizin, manuelle Medizin oder Magnetfeldtherapie. All diese Methoden können zusätzlich zur medikamentösen Therapie ihre Wirkung zeigen und sollten daher ausprobiert werden.

Wann muss operiert werden?

Es gibt drei mögliche Indikationen zur Operation:

1. Ein Gelenkersatz der Hüfte wird dann durchgeführt, wenn die Gelenkentzündungen auf das Hüftgelenk übergreifen und hier zu arthrotischen Veränderungen führt.

2. Bei sehr schweren Formen, die trotz medikamentöser Therapie schnell voranschreiten und zu einer starken Vorwärtskrümmung der Wirbelsäule führen, kann eine sogenannte Aufrichtungsoperation (Spondylodese) durchgeführt werden. Zwar handelt es sich um einen komplizierten und aufwendigen Eingriff, die Lebensqualität kann dadurch allerdings entscheidend verbessert werden, da Betroffene wieder zu mehr Bewegungen fähig sind und sich das Blickfeld wieder erweitert.

3. Durch die Osteoporose auftretende Wirbelkörperfrakturen, möglicherweise mit Nerveneinklemmungen, müssen akut operiert werden.

Was muss ich vor der Operation beachten?

Eine Aufrichtungsoperation bei Morbus Bechterew ist in den meisten Fällen keine absolute Nowendigkeit und kein Muss, sondern wird Patienten mit sehr starker Vorwärtskrümmung, die im Alltag und in täglichen Bewegungen massiv eingeschränkt sind empfohlen. Da eine Operation an der Wirbelsäule durchaus mit schwerwiegenden Komplikationen verbunden sein kann, ist ein ausgiebiges Beratungsgespräch mit einem Spezialisten, der über den Operationsverlauf, mögliche Komplikationen und notwendige Nachsorge aufklärt und diesbezüglich Fragen beantwortet, die wichtigste Vorbereitung. Auch wird der zuständige Arzt feststellen, ob eine solche Operationen individuell überhaupt anzuraten ist, oder ob bestimmte Faktoren (Osteoporose mit erhöhten Frakturrisiko und Instabilität) dagegen sprechen.

Morbus Bechterew

Wie verläuft die Operation von Morbus Bechterew?

Je nach Stadium des Morbus Bechterew und Grad der Verknöcherung werden unterschiedliche Operationsmethoden angewendet. Das Grundprinzip umfasst eine Keilosteotomie von hinten, also ein absichtliches “Brechen” und keilförmiges “Ausschneiden” der Wirbelkörper, die dann in Folge aufgerichtet und mit Metallverpackungen wieder fixiert werden. Bei sehr instabilen Wirbelkörpern können zusätzlich Zementeinfüllungen notwendig werden. Bei sehr starken Verknöcherungen muss in manchen Fällen zusätzlich von vorne eine Osteotomie durchgeführt werden.

Welche Risiken und Komplikationen birgt ein operativer Eingriff bei Morbus Bechterew?

Trotz guter Planung und sehr umsichtigen Vorgehen handelt es sich um eine Routine aber auch gefährlichen Eingriff. Wie bei jeder Operation an der Wirbelsäule besteht die Gefahr, dass es zu einer Verletzung des Rückenmarks oder der austretenden Nervenbahnen und infolgedessen zu einer Querschnittslähmung kommt. Zusätzlich zu diesem ohnehin schon hohen Risiko einer Wirbelsäulenoperation zeigen Morbus Bechterew Patienten starke Veränderungen der knöchernen Wirbelsäule, der Bandscheiben sowie der angrenzenden Bänder, Muskeln und Sehnen, die infolge der jahrelangen Entzündungsvorgänge entstehen und den Eingriff verkomplizieren können. Wie bei jedem chirurgischen Eingriff besteht ein hohe Blutungs- und Infektionsrisiko.

Was muss ich nach der Operation beachten?

Da es sich um einen langen und komplizierten Eingriff handelt, ist direkt nach der Operation eine Verlegung auf die Intensivstation üblich. Erst wenn sich der Patient von der Narkose erholt hat und die Herz-Kreislauf-Funktionen stabil sind, erfolgt eine Verlegung auf die normale Station. Dort wird eine rasche Mobilisierung angestrebt, wobei dies unter strikter Kontrolle erfolgt, da bestimmte Bewegungen eine Zeit lang nicht durchgeführt werden dürfen. Noch während des stationären Aufenthalts im Krankenhaus erlernen die Patienten wichtigste Bewegungen, um ihren Alltag zu bewältigen und die Muskulatur zu aktivieren.

Kann ich Morbus Bechterew vorbeugen?

Nein! Der Erkrankung kann weder vorgebeugt werden, noch gibt es eine definitive und endgültiger Heilungschance.

Morbus Bechterew

Übernimmt die Krankenkasse die Kosten?

Die Kosten für die Operation und auch für nachfolgende Physiotherapie, Reha und Kur werden übernommen, sofern sie von einem Kassenarzt beziehungsweise -physiotherapeuten durchgeführt werden.

 

Quellen

Österreichische Vereinigung Morbus Bechterew

Deutsche Vereinigung Morbus Bechterew e.V., Bundesverband

Eiden, P.: Ein anderer Blickwinkel auf die Welt: Aufrichte-Operation bei Morbus Bechterew. ÄrzteZeitung. 27.08.2019 (letzter Zugriff: 30.10.2019)


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AUF EINEN BLICK

Dauer Dauer

Bis zu 9 Stunden

Ausfallzeit Ausfallzeit

Bis zu 6 Monate

Stationärer Aufenthalt Stationär

7-14 Tage

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Morbus Bechterew ist eine chronisch-entzündliche rheumatische Erkrankung, die die Wirbelsäule befällt und durch anhaltende Entzündungsreaktionen zu strukturellen Veränderungen führt


Symptomatisch im Vordergrund steht der chronische Schmerz, hinzukommen Morgensteifigkeit, Bewegungseinschränkungen und mit den Jahren eine zunehmende Vorwärtskrümmung der Wirbelsäule mit ausgeprägter Fehlhaltung. Darüber hinaus ist die Erkrankung mit weiteren Entzündungsreaktionen im Körper vor allem in den Augen, an der Haut und im Magen-Darm-Trakt verbunden


Die genaue Ursache und Entstehung der Erkrankung ist bis heute ungeklärt. Angenommen wird ein Zusammenspiel aus autoimmunologischen, viralen und umweltbedingten Faktoren


Die Therapie erfolgt vorwiegend medikamentös, begleitet von Bewegungstherapie und Physiotherapie, wodurch die Symptome der meisten Patienten bewältigbar sind. Nur in seltenen Fällen muss eine sogenannte Aufrichtungsoperation durchgeführt werden, die zwar die Lebensqualität maßgeblich verbessert allerdings mit ausgeprägten Komplikationen verbunden sein kann

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