Digitale Sprechstunde beim Arzt: Ist sie eine echte Alternative zum persönlichen Besuch?

Die Digitalisierung macht auch vor dem medizinischen Sektor nicht halt. Gerade erst wurde die Option verlängert, eine Krankschreibung auch per Telefon ausstellen zu lassen. Das Thema digitale Medizin zeigt sich auch bei verschiedenen Telemedizinangeboten. Aber wie gut ist die virtuelle Sprechstunde und welche Vorteile bringt sie für Patienten mit? Kann ein digitaler Besuch beim Arzt die Sprechstunde ersetzen oder ist sie eine wichtige Ergänzung?


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Online-Redaktion

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Zuletzt aktualisiert: 8. Dezember, 2022



Wichtige Punkte zusammengefasst

Das Wichtigste zusammengefasst

Seit 2020 wurde es Patientinnen und Patienten ermöglicht, bei ihrem Arzt eine Krankschreibung per Videocall oder Telefonat anzufordern.


Obwohl die virtuelle Sprechstunde auch für Patient*innen viele Vorteile mitbringt, ist sie noch nicht vollständig in den Köpfen der Menschen angekommen.


Waren es im Jahr 2019 rund 3.000 Videosprechstunden, die von Patient*innen in Anspruch genommen wurden, erhöhte sich die Zahl 2020 schon im ersten Halbjahr auf 1,4 Millionen.


Die Videosprechstunde hat gute Chancen, sich zu einem wichtigen Standard zu etablieren.

Digitale Sprechstunde statt Besuch in der Praxis

Seit Beginn der Ausnahmesituation ist das Thema Digitalisierung in Arztpraxen auch bei der Bevölkerung angekommen. Tatsächlich gibt es Videosprechstunden aber schon länger. Durch die besonderen Umstände kam das Thema aber 2020 beim Mainstream an. Seit 2020 wurde es beispielsweise Patientinnen und Patienten ermöglicht, bei ihrem Arzt eine Krankschreibung per Videocall oder Telefonat anzufordern. Möglich war das zuvor nur für bereits bekannte Personen, seit 2022 dürfen auch Neupatientinnen- und Patienten drangenommen werden.
 
Während dieser Zeit waren Ärztinnen und Ärzte außerdem ermächtigt, virtuelle Sprechstunden ohne Begrenzung anzubieten. Seit 2022 hat sich dieses Gesetz verändert. Die Zahl der Behandlungsfälle wurde auf maximal 30 Prozent begrenzt. Das heißt für Arztpraxen, dass nur noch jeder dritte Patient ausschließlich per Videogespräch behandelt werden darf. Erfolgt im Quartal ein persönlicher Kontakt in der Praxis, können weitere Termine ebenfalls virtuell stattfinden.
 
Neben klassischen Arztpraxen sind weitere Behandler*innen ermächtigt, ihr Angebot digital zur Verfügung zu stellen. Dazu gehören:
 

  • Krankengymnastik und weitere Heilmitteltherapien, wenn die versicherte Person einverstanden ist.
  • Hebammen für Aufklärungs- und Vorgespräche, Geburtsvorbereitungskurse und Rückbildungskurse.
  • Psychotherapien, sofern es bereits einen Erstkontakt in der Praxis gab. Es muss eine Eingangsdiagnostik erstellt worden sein, außerdem muss die Aufklärung zu den Therapieoptionen vorhanden sein.
  • Zahnärzte dürfen seit Oktober 2020 ebenfalls digitale Sprechstunden anbieten, sofern die Patientinnen und Patienten einen Pflegegrad oder eine Behinderung haben. Auch Menschen, die Eingliederungshilfe erhalten, können so einen Erstkontakt realisieren.

Kommt die digitale Sprechstunde bei Patient*innen an?

Obwohl die virtuelle Sprechstunde auch für Patient*innen viele Vorteile mitbringt, ist sie noch nicht vollständig in den Köpfen der Menschen angekommen. Das Wissen über eine Krankmeldung, bei der einer Infektion, hat sich schnell verbreitet. Bezüglich der Informationen zur klassischen Online-Sprechstunde herrscht aber noch großer Bedarf. Eine Umfrage zeigte, dass viele Deutsche gern mehr Informationen zum Arzttermin am Bildschirm hätten.
 
Skepsis kann auch daher rühren, dass das Thema virtuelle Sprechstunde lange als umstritten galt. Den Arzttermin einfach nach Hause holen? Das warf Fragen auf. Taugt diese Art der Konsultation etwas? Übersehen Ärzte per Bildschirm womöglich wichtige Symptome? Der Deutsche Ärztetag machte 2018 den Weg frei für die digitale Sprechstunde, doch zum Boom kam es erst durch die Situation der vergangenen zwei Jahre.
 
Waren es im Jahr 2019 rund 3.000 Videosprechstunden, die von Patient*innen in Anspruch genommen wurden, erhöhte sich die Zahl 2020 schon im ersten Halbjahr auf 1,4 Millionen. Der direkte Kontakt zum Behandler steht für die meisten Menschen allerdings noch im Fokus. Die Stiftung Gesundheitswissen hat in einer Befragung herausgefunden, dass 84% das Angebot kennen, aber nur 4% es auch schon wahrgenommen haben.
 
Immerhin 44% sagten klar, dass sie mehr Informationen wünschen. Dazu gehören Antworten auf technische Fragen, aber auch Klarheit, bei welchen Beschwerden digitale Arztbesuche in Frage kommen. Mit gut verständlichen Erklärungen könnten Hürden abgebaut werden, die sich bei der Nutzung digitaler Medien häufig ergeben. Online-Sprechstunden dürfen nicht daran scheitern, dass Menschen aufgrund fehlender digitaler Kompetenzen keinen Zugriff haben.

Vor- und Nachteile der digitalen Sprechstunde: Ersetzt sie das persönliche Gespräch?

Seitdem Menschen flächendeckend Zugriff auf das Internet haben, hat sich im medizinischen Wesen viel verändert. Der Arztbesuch wird nicht selten durch Eigenmedikation ersetzt, wenn es um harmlose Erkrankungen wie Erkältungen geht. Doch es gibt Grenzen und Risiken, Patient*innen können nicht immer einschätzen, ob eine Erkrankung harmlos oder behandlungsbedürftig ist. Genau diesen Zwiespalt könnte die Videosprechstunde überbrücken. Sie ist kein vollwertiger Ersatz für das persönliche Gespräch mit Ärztinnen und Ärzten, aber eine wertvolle Ergänzung.
 
Das Thema Digitalisierung ist angekommen und der Bedarf an virtuellen Dienstleistungen im Gesundheitssektor wächst. Ein möglichst breites Portfolio an digitalen Dienstleistungen ist inzwischen zu einem Qualitätskriterium für moderne Arztpraxen und Dienstleister im Gesundheitssektor geworden. Flexible Möglichkeiten, um medizinische Services in Anspruch zu nehmen, können ein wertvolles Element für eine langfristige Kundenbindung darstellen, die auch für moderne Arztpraxen ein Thema ist. Auf der anderen Seite steht allerdings der persönliche Kontakt zu Arzt oder Ärztin und zum Praxispersonal, der sich wesentlich auf das Vertrauensverhältnis auswirkt und damit auch dazu beiträgt, dass sich Patient*innen langfristig für eine Praxis entscheiden und sich dort wohlfühlen.

So läuft der digitale Arztbesuch ab

Die Videosprechstunde hat gute Chancen, sich zu einem wichtigen Standard zu etablieren. Grundsätzlich können alle Arztgruppe digitale Kontakte anbieten mit Ausnahme von Medizinern, die keinen direkten Kontakt zum Patienten haben. Dazu gehören Pathologen, Radiologen, Laborärzte und Nuklearmediziner. Therapeutische Interventionen (Psychotherapien) sind nur bei persönlich bekannten Patient*innen möglich.
 
Voraussetzungen, um an der digitalen Sprechstunde teilnehmen zu können, ist ein Endgerät mit vorhandenem Bildschirm. Es kann sich um ein Smartphone, ein Tablet, einen Computer oder ein Laptop handeln. Bei einem Computer sind zudem eine Webcam und ein Mikrofon erforderlich, ein Lautsprecher überträgt den Ton. Wichtig ist außerdem eine gut funktionierende Internetverbindung. WLAN neigt zu Abbrüchen, die LAN-Verbindung kann Vorteile bieten.
 
Das Arztgespräch wird über einen zertifizierten Videodienstanbieter abgewickelt, der in Sachen Sicherheit besondere Standards erfüllt. So wird dafür gesorgt, dass die Daten der Patient*innen besonders geschützt werden. Eine umfangreiche Erläuterung bezüglich Datenschutz erfolgt seitens des Behandlers vor dem ersten digitalen Termin.
 
Wie bei einem klassischen Arztbesuch wird ein Termin für die Videosprechstunde vergeben. Patient*innen erhalten einen Einwahlcode und die Website des Videodienstanbieters. Etwa zehn Minuten vor Terminbeginn wählen sich die Patient*innen ein, geben ihren Namen an und kommen in den virtuellen Wartebereich. Während der Sprechstunde erscheint der Behandler auf dem Bildschirm und kann sich in Echtzeit mit seinem Patient*innen unterhalten.

Das macht eine gute Videosprechstunde aus

Zufriedenheit bei der Videosprechstunde sorgt dafür, dass Patient*innen wiederkommen und sich, was in diesem Bereich von besonderer Bedeutung ist, wohlfühlen. Im digitalen Praxistest müssen die Anbieter einige Kriterien erfüllen. Nicht nur die medizinische Behandlung muss optimiert sein, auch Art und Umfang der Anamnese ist wichtig. Der Service und die Bedienbarkeit stehen im Fokus, denn so können auch technisch unerfahrene Nutzer*innen das Angebot wahrnehmen.
 
Eine gute Videosprechstunde zeichnet sich außerdem dadurch aus, dass sie für Patient*innen eine ebenso sorgfältige Behandlung durch den Arzt mitbringt. Ist ein persönlicher Kontakt nötig, wird er initiiert und wahrgenommen. Aus Patient*innen-Sicht sind Themen wie persönlicher Umgang im Videocall, Datenschutz und Komfort ganz entscheidend.


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Über den Autor: Dr. med. Benjamin Gehl

Facharzt für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie


Als Facharzt für plastische, ästhetische und rekonstruktive Chirurgie liegt die Leidenschaft von Dr. Gehl schon immer im Bereich der medizinischen Contentproduktion.

Aufgrund seiner Ausbildung, einer langjährigen Einsatzzeit in der rekonstruktiven und plastischen Chirurgie, sowie zahlreichen Auslandseinsätzen in Indien, Afrika und Amerika weiß er, welche Techniken und Behandlungen für medizinische Indikationen international Anwendung finden und State of the art sind.

Weiterhin beschäftigt er sich täglich mit neuen Trends und Techniken in der operativen und nicht-operativen Chirurgie. Fortbildungen sowie Studien zählen genauso zu seiner Leidenschaft wie die Veröffentlichung wissenschaftlicher Arbeiten zu den neuesten fachspezifischen Themen.

Bitte beachte, dass sämtliche zur Verfügung gestellten Inhalte zu den einzelnen Behandlungen, Abläufen, Preisen etc. generelle Informationen sind und je nach Ärzt*in und individuellem Fall und Ausgangslage variieren können.

Für genauere Auskünfte frag bitte direkt bei dem/der von Dir ausgewählten Ärzt*in an.

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Seit 2020 wurde es Patientinnen und Patienten ermöglicht, bei ihrem Arzt eine Krankschreibung per Videocall oder Telefonat anzufordern.


Obwohl die virtuelle Sprechstunde auch für Patient*innen viele Vorteile mitbringt, ist sie noch nicht vollständig in den Köpfen der Menschen angekommen.


Waren es im Jahr 2019 rund 3.000 Videosprechstunden, die von Patient*innen in Anspruch genommen wurden, erhöhte sich die Zahl 2020 schon im ersten Halbjahr auf 1,4 Millionen.


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